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Josephinische Mandarine - Bürokratie und Beamte in Österreich
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IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn? 112 gen wegen des „Kathedersozialismus“ verdächtigt, wurde selbst von den feindlich gesinnten Medien gleichzeitig als anational und eindeutig kaisertreu eingestuft.86 Und der selbstverständlich national gesinnte Führer der mährischen Tschechen, Alois Pražak (1820–1901), von 1879 bis 1892 tschechischer Landsmannminister, behauptete von sich, er hätte in Wien ganz gut gelernt, sein Bewusstsein zu teilen: in ein kaiserlich-gesamtösterreichisches bei Tag im Amt und in ein national-tsche- chisches abends am Biertisch.87 Diese Exempel repräsentieren die Spitzen der Bürokratie, die Minister, die zugleich Politik betrieben. Jedoch auch bei den hohen Beamten ohne politische Funktion genoss die Staatstreue gegenüber nationalen Gesinnungen den Vorrang. Jeroen Bastiaan van Heerde, der die Zusammenhänge von Staat und Kunst ab den 1890er-Jahren, also in der Hoch-Zeit der Nationalitätenkämpfe, sowie der Kunst der Moderne untersuchte, bestätigt am Beispiel der Kunstpolitik des Ministeri- ums für Cultus und Unterricht, dass das Unterrichtsministerium im Sinne der all- gemeinen apolitischen Zielsetzungen der Regierung bestrebt war, die Kunst zwar für die Ziele des Vaterlandes zur Förderung patriotischer Emotionen einzusetzen, gegenüber den verschiedenen Nationalitäten aber bemühte man sich, „neutral“, „gleichwertig“ zu fördern, durch Ankauf von Kunstwerken, Verleihung von Sti- pendien, Beteiligung an nationalen und internationalen Ausstellungen, durch die Zuteilung öffentlicher Aufträge etc., um so den Nationalitätenhader, der auch dem Gebiet der Kunst nicht fremd war, auszugleichen.88 Ein einheitliches Bild der nationalen Einstellung der Ministerialbürokratie kann trotz dieser positiven Aussagen, die ihr „Objektivität“ bescheinigen, nicht konstruiert werden, da es dieses nicht gab. Wollten wir von ihr ein nationales Porträt entwerfen, so wäre dieses einem bunten Puzzle nicht unähnlich, das ver- mutlich auch in jeder einzelnen Beamtenseele zu finden war. Die Frage ist im Grunde nicht wesentlich. Entscheidend war das geltende Prinzip, dass Nationa- lismus in den Wiener Zentralbehörden bis zum Ende der Monarchie verpönt war und wenn er auftrat, sorgfältig versteckt werden musste. Derselbe Kleinwaechter, der seine polnischen und tschechischen Kollegen im Finanzministerium miss- 86 WOLFGANG FRITZ, Finanzminister Emil Steinbach – der Sohn des Goldarbeiters (= Austria: Forschung und Wissenschaft – Soziologie 5, Wien 2007), S. 204 f. 87 ALOIS PRAŽAK, Paměti a listář dra Aloise Pražaka [Erinnerungen und Tagebuch des Dr. Alois Pražak], ed. F. Kameníček, 3 Bde. (Praha 1926–1927); freundlicher Hinweis von Herrn Dr. Thomas Kletečka, dem ich dafür herzlich danke; siehe auch HEINDL, Was ist Reform?, S. 171 f. 88 JEROEN BASTIAAN van HEERDE, Staat und Kunst. Staatliche Kunstförderung 1895–1918 (Wien/Köln/Weimar 1993), S. 88 und 90 ff.
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Josephinische Mandarine Bürokratie und Beamte in Österreich
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Josephinische Mandarine
Untertitel
Bürokratie und Beamte in Österreich
Autor
Waltraud Heindl
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2013
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78950-5
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
336
Schlagwörter
Bürokratie, Beamte, Österreich, Österreich-Ungarn, nationale und politische Identitäten, Loyalitäten, Alltagskultur, Frauen im Staatsdiens, Image
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 11
  2. I. Bürokratie und Beamte – eine Spurensuche Versuch einer Einführung 17
    1. 1. Theoretische Überlegungen 17
    2. 2. Die zwei Realitäten der Bürokratie 24
    3. 3. Definitionen, Details und Daten 26
  3. II. 1848 – ein Wendepunkt für die österreichische Bürokratie? 35
  4. III. Die Bürokratie und das neoabsolutistische Experiment 45
    1. 1. Diskussionen um die bürokratische Neugestaltung 45
    2. 2. Neue Strukturen und Arbeitsfelder. Die Liquidierung der Revolution auf dem Verwaltungsweg 47
    3. 3. Beamtenethos und Beamtenideal der neuen Ära 54
    4. 4. Ziviler Ungehorsam und staatliche Disziplinierung 60
    5. 5. Ausbildung, ökonomische Lage und sozialer Status vor 1867 66
  5. IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn? 85
    1. 1. Wandel der politischen Strukturen 85
    2. 2. Staatsdiener – Staatsbürger. Neue politische Rechte – neue politische Probleme 87
    3. 3. Widersprechende Loyalitäten: zwischen Kaiser und Staat – Nation/en und Partei/en 90
    4. 4. Parteipolitische Konfliktszenen 99
    5. 5. Nationale Illustrationen 106
    6. 6. Traditionelle Karrieremuster gegen politischen Protektionismus 121
    7. 7. Soziale Privilegierung und dienstliche Disziplinierung: Streiflichter zu den ökonomischen und sozialen Verhältnissen 1873–1914 131
    8. 8. Die ungewohnte Neue: Frauen im Staatsdienst 147
    9. 9. Macht und Ohnmacht. Direkte und indirekte Einflussnahme 154
    10. 10. Generationenkonflikte um 1900 160
  6. V. Das soziale Umfeld 165
    1. 1. Beamte und bürgerliche Gesellschaft 165
    2. 2. Der Alltag im bürokratischen Leben oder die kleinen großen Unterschiede 168
      1. Soziale Distinktionen: Ausbildung, Karriere und Rekrutierung 170
      2. Äußere Zeichen – Für und Wider die Beamtenuniform 177
      3. Umgangsformen im Amt 180
      4. Arbeitszeit und Amtsräume 184
      5. Amtsroutine, Akten und bürokratische Skurrilitäten 187
    3. 3. Verbindende Gemeinsamkeiten – Amtsstil, Kanzleisprache und die Architektur der Amtsgebäude 190
    4. 4. Der private Alltag – das symbolische Kapital 198
      1. Amtsroutine im Privatleben? 198
      2. Bürgerlicher Lebensstandard?
      3. Die Grundbedürfnisse Essen und Wohnen 200
      4. Die Beamtenfamilie: Intimität und Öffentlichkeit 209
      5. Die „gut-bürgerliche“ Gesellschaft – Private Netzwerke 221
      6. Freizeitgestaltung als Netzwerkbildung 229
  7. VI. Inszenierungen 235
    1. 1. Literarische Inszenierungen – Fremdbilder 235
    2. 2. Selbstinszenierungen – Selbstzeugnisse 244
  8. VII. Josephinismus und Moderne um 1900 253
    1. 1. Typisch „josephinische“ Beamteneliten? 253
    2. 2. „Andersgläubige“, Sozialdemokraten und Künstler – ungewöhnliche josephinische Beamte? 260
    3. 3. Ein anderer ungewöhnlicher Beamter – Dr. Ludwig Ritter von Janikowski 267
  9. VIII. Was blieb? – Anstatt eines Schlusswortes 277
    1. Anhang 285
    2. Bildnachweis 285
    3. Abkürzungsverzeichnis 286
      1. I. Die Verwaltung und Organisation des österreichischen Kaiserstaates 287
      2. II. Entwicklung der Gehälter der höheren Beamten nach den Gehaltsreformen 288
    4. Quellen-und Literaturverzeichnis 290
    5. Archivalische Quellen 290
    6. Gedruckte Quellen 291
    7. Autobiografische Schriften 295
    8. Ausgewählte Roman- und Dramenliteratur 298
    9. Sekundärliteratur 299
    10. Sachregister 313
    11. Namenregister 317
    12. Ortsamenregister 321
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