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Josephinische Mandarine - Bürokratie und Beamte in Österreich
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118 IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn? gesetzt. Es wurde mit der Zeit unmöglich, objektiv zu erscheinen, auch wenn man es war, wozu die nationalistische Presse beider Nationen (die offizielle damals kor- rekte Bezeichnung war „Nationalitäten“) ihr Übriges tat, indem sie versuchte, die Beamten der jeweils anderen Sprachgruppe als Nationalisten zu zeichnen, sie der Bevorzugungen und Provokationen zu bezichtigen. In dieser national verzwickten Affäre sind für uns die Berichte der Beamten der unteren Ebenen über ihr eigenes Verhalten an Regierung und Parlament in Wien vielsagend. Pieter Judsons sorg- fältige Analysen zeigen, dass die Beamten der Bezirksebene die nationalistischen Ausschreitungen als Einzelfälle herunterzuspielen versuchten, sie mit wenig Re- levanz für die Gesamtbevölkerung des Gebietes bezeichneten, die Berichte der nationalistischen Presse als unwahr, als Rhetorik von nationalen Parteien entlarv- ten und – was sehr wichtig für sie selbst zu sein schien – ihr eigenes Verhalten und ihr Vorgehen als streng objektiv in Äquidistanz zu beiden Sprachnationen darstellten.106 Ob das nun der Wahrheit entsprach oder nicht – die Selbstdarstel- lung der Bezirksbeamten zeigt die strengen Vorgaben der höheren vorgesetzten Beamtenebenen, an denen sie sich als Selbstschutz orientierten. Die Statthalterei in Prag und die Regierung in Wien, die für gewöhnlich bei nationalen Auseinan- dersetzungen gerichtliche Untersuchungen verlangten, waren, so urteilt Judson, dem supranationalen objektiven Beamtenethos weit mehr verpflichtet und unter- schieden beide Bevölkerungsgruppen nicht nach nationalen Kriterien.107 Die Sprachenfrage in den gemischtsprachigen Gebieten der Kronländer Böh- men, Mähren, Krain, Kärnten, Steiermark, Triest108 und den italienischsprachigen Gebiete, in denen die Sprachenfrage (und dies besonders an Schulen) ein außer- ordentlich heikles Thema war, wurden von Hannelore Burger, Pieter Judson und Gerald Stourzh eindrucksvoll nachgezeichnet. Die sorgfältigen Studien bestätigen den Eindruck, dass die hohe Bürokratie gegenüber den politischen und parla- mentarischen Ansprüchen das Prinzip der „Sprachgerechtigkeit“ (Burger) wahren konnte.109 In zwei Kronländern war der Sprachenkampf innerhalb der Beamtenschaft we- nig relevant: Das war in der Bukowina, wo erstens Angehörige der deutschen, 106 JUDSON, Guardians of the Nation, S. 199–202. 107 JUDSON, Guardians of the Nation, S. 213 ff. 108 Zu den Fällen in Triest, wo die Verwaltung fast ausschließlich in den Händen italienischsprachi- ger Beamter lag, auch M. v. LEJA, Die Austrifizierung der Triester Staatsbeamten. In: Österrei- chische Rundschau 36 (1913), S. 385–389. 109 BURGER, Sprachenrecht, JUDSON, Guardians oft he Nation, GERALD STOURZH, Glei- chberechtigung der Volksstämme.
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Josephinische Mandarine Bürokratie und Beamte in Österreich
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Josephinische Mandarine
Untertitel
Bürokratie und Beamte in Österreich
Autor
Waltraud Heindl
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2013
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78950-5
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
336
Schlagwörter
Bürokratie, Beamte, Österreich, Österreich-Ungarn, nationale und politische Identitäten, Loyalitäten, Alltagskultur, Frauen im Staatsdiens, Image
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 11
  2. I. Bürokratie und Beamte – eine Spurensuche Versuch einer Einführung 17
    1. 1. Theoretische Überlegungen 17
    2. 2. Die zwei Realitäten der Bürokratie 24
    3. 3. Definitionen, Details und Daten 26
  3. II. 1848 – ein Wendepunkt für die österreichische Bürokratie? 35
  4. III. Die Bürokratie und das neoabsolutistische Experiment 45
    1. 1. Diskussionen um die bürokratische Neugestaltung 45
    2. 2. Neue Strukturen und Arbeitsfelder. Die Liquidierung der Revolution auf dem Verwaltungsweg 47
    3. 3. Beamtenethos und Beamtenideal der neuen Ära 54
    4. 4. Ziviler Ungehorsam und staatliche Disziplinierung 60
    5. 5. Ausbildung, ökonomische Lage und sozialer Status vor 1867 66
  5. IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn? 85
    1. 1. Wandel der politischen Strukturen 85
    2. 2. Staatsdiener – Staatsbürger. Neue politische Rechte – neue politische Probleme 87
    3. 3. Widersprechende Loyalitäten: zwischen Kaiser und Staat – Nation/en und Partei/en 90
    4. 4. Parteipolitische Konfliktszenen 99
    5. 5. Nationale Illustrationen 106
    6. 6. Traditionelle Karrieremuster gegen politischen Protektionismus 121
    7. 7. Soziale Privilegierung und dienstliche Disziplinierung: Streiflichter zu den ökonomischen und sozialen Verhältnissen 1873–1914 131
    8. 8. Die ungewohnte Neue: Frauen im Staatsdienst 147
    9. 9. Macht und Ohnmacht. Direkte und indirekte Einflussnahme 154
    10. 10. Generationenkonflikte um 1900 160
  6. V. Das soziale Umfeld 165
    1. 1. Beamte und bürgerliche Gesellschaft 165
    2. 2. Der Alltag im bürokratischen Leben oder die kleinen großen Unterschiede 168
      1. Soziale Distinktionen: Ausbildung, Karriere und Rekrutierung 170
      2. Äußere Zeichen – Für und Wider die Beamtenuniform 177
      3. Umgangsformen im Amt 180
      4. Arbeitszeit und Amtsräume 184
      5. Amtsroutine, Akten und bürokratische Skurrilitäten 187
    3. 3. Verbindende Gemeinsamkeiten – Amtsstil, Kanzleisprache und die Architektur der Amtsgebäude 190
    4. 4. Der private Alltag – das symbolische Kapital 198
      1. Amtsroutine im Privatleben? 198
      2. Bürgerlicher Lebensstandard?
      3. Die Grundbedürfnisse Essen und Wohnen 200
      4. Die Beamtenfamilie: Intimität und Öffentlichkeit 209
      5. Die „gut-bürgerliche“ Gesellschaft – Private Netzwerke 221
      6. Freizeitgestaltung als Netzwerkbildung 229
  7. VI. Inszenierungen 235
    1. 1. Literarische Inszenierungen – Fremdbilder 235
    2. 2. Selbstinszenierungen – Selbstzeugnisse 244
  8. VII. Josephinismus und Moderne um 1900 253
    1. 1. Typisch „josephinische“ Beamteneliten? 253
    2. 2. „Andersgläubige“, Sozialdemokraten und Künstler – ungewöhnliche josephinische Beamte? 260
    3. 3. Ein anderer ungewöhnlicher Beamter – Dr. Ludwig Ritter von Janikowski 267
  9. VIII. Was blieb? – Anstatt eines Schlusswortes 277
    1. Anhang 285
    2. Bildnachweis 285
    3. Abkürzungsverzeichnis 286
      1. I. Die Verwaltung und Organisation des österreichischen Kaiserstaates 287
      2. II. Entwicklung der Gehälter der höheren Beamten nach den Gehaltsreformen 288
    4. Quellen-und Literaturverzeichnis 290
    5. Archivalische Quellen 290
    6. Gedruckte Quellen 291
    7. Autobiografische Schriften 295
    8. Ausgewählte Roman- und Dramenliteratur 298
    9. Sekundärliteratur 299
    10. Sachregister 313
    11. Namenregister 317
    12. Ortsamenregister 321
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