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Josephinische Mandarine - Bürokratie und Beamte in Österreich
Seite - 128 -
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IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn? 128 mer schlüssig beweist,132 der katholische Kartellverband (CV) eine immer größere Rolle in der höheren Bürokratie. Immerhin ergriff bald der erkleckliche Prozent- satz von 57,1 % seiner Mitglieder den Beruf eines Beamten, Lehrers, Universitäts- lehrers oder Offiziers. Die Mitglieder der in Opposition zu Dynastie, Staat und katholischer Kirche stehenden, (zunehmend) antisemitischen Burschenschaften und der wehrhaften Vereine begannen sich erst im beginnenden 20. Jahrhundert mehr und mehr dem Beamtenberuf zuzuwenden. Am Vorabend des Ersten Welt- kriegs 1912 kamen aber bereits 54,7 % der Beamten aus diesen Reihen. Der Prozess der Integration dieser Gesinnungsgenossen in den höheren Staatsdienst wurde von den Deutschnationalen, die nach den Wahlen von 1911 die stärkste Gruppe im Reichsrat stellten, kräftig gefördert. Die Angehörigen der Bürokratie versuch- ten, die Staatsfeindlichkeit der neuen Mitglieder herunterzuspielen: „Waren die Studentenjahre vorüber, das bunte Band abgetan und in den Schrank gelegt, so verblasste bald die Mittelfarbe und im Philistertum, wenn aus dem flotten Bur- schen ein ehrsamer Bezirksarzt, Gerichtsadjunkt, Bergrat oder Auditor geworden war, verwandelte sich dann regelmäßig das Schwarz-Rot-Gold in ein waschechtes und lichtbeständiges Schwarz-Gelb.“133 Aber dem scheint nicht ganz so gewesen zu sein, wie spätere Entwicklungen zeigen.134 Die staatsloyalen und apolitischen Corpsmitglieder und schon gar die zionistischen Verbindungsmitglieder kamen in der Bürokratie an die Bedeutung von CV und Burschenschaften nicht heran. Ihre Bedeutungslosigkeit im Staatsdienst wurde nur von den Frauen übertroffen. Solche ungewohnten Rekrutierungspools mussten für die traditionellen Ver- waltungseliten, Juristen und für die Regierung alarmierend gewirkt haben. Es fanden sich Verwaltungsexperten, die sich nicht scheuten, ihre heftige Kritik öf- fentlich kundzutun. Damit fand die (notwendige) Diskussion über das „Protekti- onsunwesen“ Eingang in die Medien.135 Der bekannte Verwaltungsjurist Professor 132 GERNOT STIMMER, Zur Herkunft der höchsten österreichischen Beamtenschaft. Die Bedeu- tung des Theresianums und der Konsularakademie. In: Student und Hochschule im 19. Jahrhundert. Studium und Materialen (= Studium zum Wandel von Gesellschaft und Bildung im Neunzehnten Jahrhundert 12, Göttingen 1975), S. 310–313, 318, auch STIMMER, Eliten in Österreich 1, S. 96–161. 133 SIEGHART, Die letzten Jahrzehnte, S. 264; siehe auch SCHIMETSCHEK, Der österreichische Beamte, S. 211 f. 134 WALTRAUD HEINDL, Bürokratie und Beamte. In: Handbuch des politischen Systems Ös- terreichs. Erste Republik 1918–1933, hg. von Emmerich Talos, Herbert Dachs, Ernst Hanisch, Anton Staudinger (Wien 1995), S. 90–104. 135 JOHANN ANKWICZ, Neue Gesichtspunkte in der neuen staatlichen Verwaltung (Wien 1908); JOHANN ANKWICZ, Die europäische Beamtenfrage. In: Österreichische Rundschau 28 (1911), S. 85–93; BROCKHAUSEN, Beamtentum und Protektion, S. 261–268.
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Josephinische Mandarine Bürokratie und Beamte in Österreich
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Josephinische Mandarine
Untertitel
Bürokratie und Beamte in Österreich
Autor
Waltraud Heindl
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2013
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78950-5
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
336
Schlagwörter
Bürokratie, Beamte, Österreich, Österreich-Ungarn, nationale und politische Identitäten, Loyalitäten, Alltagskultur, Frauen im Staatsdiens, Image
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 11
  2. I. Bürokratie und Beamte – eine Spurensuche Versuch einer Einführung 17
    1. 1. Theoretische Überlegungen 17
    2. 2. Die zwei Realitäten der Bürokratie 24
    3. 3. Definitionen, Details und Daten 26
  3. II. 1848 – ein Wendepunkt für die österreichische Bürokratie? 35
  4. III. Die Bürokratie und das neoabsolutistische Experiment 45
    1. 1. Diskussionen um die bürokratische Neugestaltung 45
    2. 2. Neue Strukturen und Arbeitsfelder. Die Liquidierung der Revolution auf dem Verwaltungsweg 47
    3. 3. Beamtenethos und Beamtenideal der neuen Ära 54
    4. 4. Ziviler Ungehorsam und staatliche Disziplinierung 60
    5. 5. Ausbildung, ökonomische Lage und sozialer Status vor 1867 66
  5. IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn? 85
    1. 1. Wandel der politischen Strukturen 85
    2. 2. Staatsdiener – Staatsbürger. Neue politische Rechte – neue politische Probleme 87
    3. 3. Widersprechende Loyalitäten: zwischen Kaiser und Staat – Nation/en und Partei/en 90
    4. 4. Parteipolitische Konfliktszenen 99
    5. 5. Nationale Illustrationen 106
    6. 6. Traditionelle Karrieremuster gegen politischen Protektionismus 121
    7. 7. Soziale Privilegierung und dienstliche Disziplinierung: Streiflichter zu den ökonomischen und sozialen Verhältnissen 1873–1914 131
    8. 8. Die ungewohnte Neue: Frauen im Staatsdienst 147
    9. 9. Macht und Ohnmacht. Direkte und indirekte Einflussnahme 154
    10. 10. Generationenkonflikte um 1900 160
  6. V. Das soziale Umfeld 165
    1. 1. Beamte und bürgerliche Gesellschaft 165
    2. 2. Der Alltag im bürokratischen Leben oder die kleinen großen Unterschiede 168
      1. Soziale Distinktionen: Ausbildung, Karriere und Rekrutierung 170
      2. Äußere Zeichen – Für und Wider die Beamtenuniform 177
      3. Umgangsformen im Amt 180
      4. Arbeitszeit und Amtsräume 184
      5. Amtsroutine, Akten und bürokratische Skurrilitäten 187
    3. 3. Verbindende Gemeinsamkeiten – Amtsstil, Kanzleisprache und die Architektur der Amtsgebäude 190
    4. 4. Der private Alltag – das symbolische Kapital 198
      1. Amtsroutine im Privatleben? 198
      2. Bürgerlicher Lebensstandard?
      3. Die Grundbedürfnisse Essen und Wohnen 200
      4. Die Beamtenfamilie: Intimität und Öffentlichkeit 209
      5. Die „gut-bürgerliche“ Gesellschaft – Private Netzwerke 221
      6. Freizeitgestaltung als Netzwerkbildung 229
  7. VI. Inszenierungen 235
    1. 1. Literarische Inszenierungen – Fremdbilder 235
    2. 2. Selbstinszenierungen – Selbstzeugnisse 244
  8. VII. Josephinismus und Moderne um 1900 253
    1. 1. Typisch „josephinische“ Beamteneliten? 253
    2. 2. „Andersgläubige“, Sozialdemokraten und Künstler – ungewöhnliche josephinische Beamte? 260
    3. 3. Ein anderer ungewöhnlicher Beamter – Dr. Ludwig Ritter von Janikowski 267
  9. VIII. Was blieb? – Anstatt eines Schlusswortes 277
    1. Anhang 285
    2. Bildnachweis 285
    3. Abkürzungsverzeichnis 286
      1. I. Die Verwaltung und Organisation des österreichischen Kaiserstaates 287
      2. II. Entwicklung der Gehälter der höheren Beamten nach den Gehaltsreformen 288
    4. Quellen-und Literaturverzeichnis 290
    5. Archivalische Quellen 290
    6. Gedruckte Quellen 291
    7. Autobiografische Schriften 295
    8. Ausgewählte Roman- und Dramenliteratur 298
    9. Sekundärliteratur 299
    10. Sachregister 313
    11. Namenregister 317
    12. Ortsamenregister 321
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