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Josephinische Mandarine - Bürokratie und Beamte in Österreich
Seite - 130 -
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IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn? 130 Mitschuld an der manchmal nicht gerechtfertigten Beamtenvermehrung hatten, nicht von der Hand zu weisen. Die Experten wurden allerdings vielmehr noch durch die Auswahlkriterien bedenklich gestimmt, die eine Postenvergabe nicht an die Qualitäten eines Beamten band, sondern an Mitgliedschaften in Parteien oder in diesen nahestehenden Vereinen. Im Reichsrat, wo angeblich das Übel des Protektionismus seine Wurzeln hatte, protestierte der sozialdemokratische Abgeordnete Otto Glöckel 1912 ge- gen diese Praxis und meinte – wahrscheinlich etwas überspitzt –, dass es unter den nationalen Abgeordneten „Personalreferenten“ gäbe, die dafür sorgten, dass ihre Landsmänner (von Frauen war noch nicht die Rede) im Staatsdienst avan- cierten.139 Für Verwaltungsexperten war freilich gegen Ende der franzisko-josephinischen Ära auch bezüglich der Wiener Zentralstellen, in der Öffentlichkeit als Hort der Objektivität und Gerechtigkeit angesehen, höchster Alarm angesagt. Immer mehr, so schildert Friedländer den Zustand in der Spätzeit der Monarchie, „drin- gen in die hohen Ämter des Staates die fleißigen und tüchtigen Deutschböhmen und Deutschmährer ein, gescheite und anständige Menschen, die in die Traditi- onen des österreichischen Beamtentums gut hineinpassen. Aber sie bringen aus ihrer Heimat einen anderen Begriff von Loyalität mit, als er in Wien üblich ist. Sie kommen aus einem Land des nationalen Kampfes, sie kommen aus der Provinz und den nationalen Burschenschaften. Bei ihnen steht die Treue zum Deutschtum und zu den gleich gesinnten Kommilitonen an erster Stelle – noch vor der Treue zum Reich.“ In ihrer Werteskala stünden die nationalen Ziele über allen anderen sittlichen und religiösen Pflichten, sie hätten auch die Methodik entwickelt, sie durchzusetzen – allerdings, ohne dass sie sich nach außen deklarierten. Sie sorgten angeblich vor allem dafür, dass der Nachwuchs sowohl im höheren Beamtendienst als auch in den Stellen der Kanzleibeamten aus den nationalen Burschenschaften käme. Die Tschechen, Slowenen und all die anderen Nationen würden diese Me- thode sehr rasch lernen und auf diese Weise, so schließt Friedländer, „zersetzt der nationale Kampf das Beamtentum von innen heraus […]. Innerlich werden die Beamten immer weniger Österreicher und immer mehr nationale Kämpfer. Die Bevölkerung verliert das Vertrauen zur Objektivität der Beamten – gerade in den 139 RRPROT., über die Sitzungen des Hauses der Abgeordneten des österreichischen Reichsrates, XXI. Session, 82. Sitzung am 22. Mai 1912, S. 3951; auch bei URBANITSCH, Vom „Fürsten- diener“ zum „politischen Beamten“, S. 158 f.; siehe die Fälle von Interventionen im Kapitel „Parteipolitische Konfliktszenen“.
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Josephinische Mandarine Bürokratie und Beamte in Österreich
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Josephinische Mandarine
Untertitel
Bürokratie und Beamte in Österreich
Autor
Waltraud Heindl
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2013
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78950-5
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
336
Schlagwörter
Bürokratie, Beamte, Österreich, Österreich-Ungarn, nationale und politische Identitäten, Loyalitäten, Alltagskultur, Frauen im Staatsdiens, Image
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 11
  2. I. Bürokratie und Beamte – eine Spurensuche Versuch einer Einführung 17
    1. 1. Theoretische Überlegungen 17
    2. 2. Die zwei Realitäten der Bürokratie 24
    3. 3. Definitionen, Details und Daten 26
  3. II. 1848 – ein Wendepunkt für die österreichische Bürokratie? 35
  4. III. Die Bürokratie und das neoabsolutistische Experiment 45
    1. 1. Diskussionen um die bürokratische Neugestaltung 45
    2. 2. Neue Strukturen und Arbeitsfelder. Die Liquidierung der Revolution auf dem Verwaltungsweg 47
    3. 3. Beamtenethos und Beamtenideal der neuen Ära 54
    4. 4. Ziviler Ungehorsam und staatliche Disziplinierung 60
    5. 5. Ausbildung, ökonomische Lage und sozialer Status vor 1867 66
  5. IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn? 85
    1. 1. Wandel der politischen Strukturen 85
    2. 2. Staatsdiener – Staatsbürger. Neue politische Rechte – neue politische Probleme 87
    3. 3. Widersprechende Loyalitäten: zwischen Kaiser und Staat – Nation/en und Partei/en 90
    4. 4. Parteipolitische Konfliktszenen 99
    5. 5. Nationale Illustrationen 106
    6. 6. Traditionelle Karrieremuster gegen politischen Protektionismus 121
    7. 7. Soziale Privilegierung und dienstliche Disziplinierung: Streiflichter zu den ökonomischen und sozialen Verhältnissen 1873–1914 131
    8. 8. Die ungewohnte Neue: Frauen im Staatsdienst 147
    9. 9. Macht und Ohnmacht. Direkte und indirekte Einflussnahme 154
    10. 10. Generationenkonflikte um 1900 160
  6. V. Das soziale Umfeld 165
    1. 1. Beamte und bürgerliche Gesellschaft 165
    2. 2. Der Alltag im bürokratischen Leben oder die kleinen großen Unterschiede 168
      1. Soziale Distinktionen: Ausbildung, Karriere und Rekrutierung 170
      2. Äußere Zeichen – Für und Wider die Beamtenuniform 177
      3. Umgangsformen im Amt 180
      4. Arbeitszeit und Amtsräume 184
      5. Amtsroutine, Akten und bürokratische Skurrilitäten 187
    3. 3. Verbindende Gemeinsamkeiten – Amtsstil, Kanzleisprache und die Architektur der Amtsgebäude 190
    4. 4. Der private Alltag – das symbolische Kapital 198
      1. Amtsroutine im Privatleben? 198
      2. Bürgerlicher Lebensstandard?
      3. Die Grundbedürfnisse Essen und Wohnen 200
      4. Die Beamtenfamilie: Intimität und Öffentlichkeit 209
      5. Die „gut-bürgerliche“ Gesellschaft – Private Netzwerke 221
      6. Freizeitgestaltung als Netzwerkbildung 229
  7. VI. Inszenierungen 235
    1. 1. Literarische Inszenierungen – Fremdbilder 235
    2. 2. Selbstinszenierungen – Selbstzeugnisse 244
  8. VII. Josephinismus und Moderne um 1900 253
    1. 1. Typisch „josephinische“ Beamteneliten? 253
    2. 2. „Andersgläubige“, Sozialdemokraten und Künstler – ungewöhnliche josephinische Beamte? 260
    3. 3. Ein anderer ungewöhnlicher Beamter – Dr. Ludwig Ritter von Janikowski 267
  9. VIII. Was blieb? – Anstatt eines Schlusswortes 277
    1. Anhang 285
    2. Bildnachweis 285
    3. Abkürzungsverzeichnis 286
      1. I. Die Verwaltung und Organisation des österreichischen Kaiserstaates 287
      2. II. Entwicklung der Gehälter der höheren Beamten nach den Gehaltsreformen 288
    4. Quellen-und Literaturverzeichnis 290
    5. Archivalische Quellen 290
    6. Gedruckte Quellen 291
    7. Autobiografische Schriften 295
    8. Ausgewählte Roman- und Dramenliteratur 298
    9. Sekundärliteratur 299
    10. Sachregister 313
    11. Namenregister 317
    12. Ortsamenregister 321
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