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IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn?
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tont wurde. Es stand nicht zur Diskussion, dass der Charakter des Arbeitsverhält-
nisses als „ein den ganzen Menschen und das ganze Leben umfassendes sittliches
und Treueverhältnis“ gegenüber dem Staat (Rudolf Sieghart) weiterhin unver-
brüchlich galt.182
Die Dienstpragmatik enthielt selbstverständlich die bereits früher üblichen
Anstellungserfordernisse (österreichische Staatsbürgerschaft, ehrenhaftes Vorle-
ben, volle Eignung, Diensteid bei Amtsantritt, Kontrolle und Aufsicht).183 Die
alte Art von Kontrolle, die Qualifikationstabellen, die die Beamten als Diskredi-
tierung sahen, wurden durch den neuen „Standesausweis“, in den nun sämtliche
Daten eines Beamten eingetragen werden mussten, ersetzt. Die Kriterien für die
Beurteilung wurden übersichtlich definiert: Fachwissen, Kenntnis der Vorschrif-
ten, Interesse für die Arbeit, Dienstwilligkeit, Umgangsformen und Auftreten so-
wie besondere Eignungen („für schwierige Aufgaben“, „nur für minderwertige“
etc.), wobei die Beurteilungen mit „ausgezeichnet“, „sehr gut“, „minder entspre-
chend“, „nicht entsprechend“ normiert wurden. Der bereits bestehende Kanon
der Pflichten eines Beamten wurde noch einmal klar und umfangreich festgestellt.
An oberster Stelle standen wie bisher Treue und Gehorsam gegenüber Kaiser und
Staat sowie unverbrüchliche Einhaltung der Gesetze. Es folgten die Gebote zur
Wahrung des öffentlichen Interesses, der Amtsverschwiegenheit, des Standesanse-
hens in und außerhalb des Dienstes – selbst im Ruhestand –, anständiges Beneh-
men im Umgang mit „Amtsgenossen“ und Parteien sowie „Hilfsbereitschaft“ „in
den zulässigen Grenzen“ (was immer das bedeuten mochte). Die Verpflichtung
zur Einhaltung der Amtsstunden und deren Ausdehnung „bei Erfordernis“ wurde
festgelegt, die Meldepflichten streng normiert: Krankheiten, Nebenbeschäftigun-
gen und Wohnsitz – auch während des Urlaubs – waren anzuzeigen. Eine Reihe
von Verboten unterstrich die Bindung des Beamten an den Staat, so die Teil-
nahme an Vereinen, die im Widerspruch zu den Pflichten des Beamten standen,
oder an ausländischen Vereinen, die politische Ziele verfolgten. Die Einschrän-
kung betraf auch Nebenbeschäftigungen, die mit der Würde des Dienstes nicht
im Einklang standen, insbesondere die Verwaltung von Aktien- und anderer auf
Gewinn ausgerichteten Gesellschaften! Als besondere Rechte wurden angeführt:
Das Recht auf Einreihung in Rangklasse und Dienstrang, der sich nach der Dauer
der Dienstzeit in der Rangklasse, der Dauer des tatsächlichen Dienstes für den
Staat und nach dem Lebensalter richtete, das Recht auf das Führen des Amtstitels,
182 SIEGHART, Die letzten Jahrzehnte einer Großmacht, S. 185.
183 Zum Folgenden auch HAFNER, Der sozio-ökonomische Wandel, S. 12–31.
Josephinische Mandarine
Bürokratie und Beamte in Österreich
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Josephinische Mandarine
- Untertitel
- Bürokratie und Beamte in Österreich
- Autor
- Waltraud Heindl
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2013
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78950-5
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 336
- Schlagwörter
- Bürokratie, Beamte, Österreich, Österreich-Ungarn, nationale und politische Identitäten, Loyalitäten, Alltagskultur, Frauen im Staatsdiens, Image
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 11
- I. Bürokratie und Beamte – eine Spurensuche Versuch einer Einführung 17
- II. 1848 – ein Wendepunkt für die österreichische Bürokratie? 35
- III. Die Bürokratie und das neoabsolutistische Experiment 45
- 1. Diskussionen um die bürokratische Neugestaltung 45
- 2. Neue Strukturen und Arbeitsfelder. Die Liquidierung der Revolution auf dem Verwaltungsweg 47
- 3. Beamtenethos und Beamtenideal der neuen Ära 54
- 4. Ziviler Ungehorsam und staatliche Disziplinierung 60
- 5. Ausbildung, ökonomische Lage und sozialer Status vor 1867 66
- IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn? 85
- 1. Wandel der politischen Strukturen 85
- 2. Staatsdiener – Staatsbürger. Neue politische Rechte – neue politische Probleme 87
- 3. Widersprechende Loyalitäten: zwischen Kaiser und Staat – Nation/en und Partei/en 90
- 4. Parteipolitische Konfliktszenen 99
- 5. Nationale Illustrationen 106
- 6. Traditionelle Karrieremuster gegen politischen Protektionismus 121
- 7. Soziale Privilegierung und dienstliche Disziplinierung: Streiflichter zu den ökonomischen und sozialen Verhältnissen 1873–1914 131
- 8. Die ungewohnte Neue: Frauen im Staatsdienst 147
- 9. Macht und Ohnmacht. Direkte und indirekte Einflussnahme 154
- 10. Generationenkonflikte um 1900 160
- V. Das soziale Umfeld 165
- VI. Inszenierungen 235
- VII. Josephinismus und Moderne um 1900 253
- VIII. Was blieb? – Anstatt eines Schlusswortes 277