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IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn?
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12-jähriger Dienstzeit, oder wenn sie im Dienst verwundet wurden, Anspruch
auf die Stelle eines Dieners oder im niederen Kanzleidienst. Als Gefängniswärter
Frosch, einem ehemaligen Militär, wurde diesem Dienerstatus von Johann Strauss
in der „Fledermaus“ ein künstlerisches Denkmal gesetzt.
Es gab allerdings noch eine Gruppe unterhalb dieser Kategorie in der Hierar-
chie, das waren die Aushilfsdiener, die nur wenig Taggeld (2 bis 3,60 Kronen) be-
zogen, keine Krankenversicherung und keinen Anspruch auf Versorgung, sondern
nur auf „Gnadengaben“ hatten. In der Praxis gab es sogar Aushilfsdienerinnen,
die wohl die Letzten in der Stufenleiter bildeten. Im Gesetz waren sie allerdings
nicht vorhanden.
Aus den nüchternen Tatsachen der Gehaltsregulierungen lässt sich die erstaun-
liche Tendenz ablesen, dass im Zeitraum zwischen 1873 und 1914 die untersten
Rangklassen signifikante Steigerungen erhielten. Die Besoldung der letzten (XI.)
Rangklasse war von 2.200 Goldkronen im Jahr 1873 auf 2.920 Goldkronen im
Jahr 1907 gestiegen, obwohl angesichts der Masse an Subalternbeamten die Erhö-
hungen ihrer Besoldung das Staatsbudget nicht wenig belastete: Obwohl bei der
Einschätzung der Beamtenzahlen Vorsicht geboten ist, gibt es Annahmen, dass
in den 1890er-Jahren gut zwei Drittel der Staatsdiener den niederen Rang- und
Gehaltsklassen angehörten, und nur 30,4 % waren im Jahr 1901 im Konzeptdienst,
also in den höheren (akademisch vorgebildeten) Kategorien, anzutreffen.185 Die
Reden im Abgeordnetenhaus des Reichsrates waren deutlich: Die kleinen Beam-
ten waren einerseits ihrer hohen Zahl wegen als Wahlvolk attraktiv geworden,
deren Wohlwollen zu sichern sich für die Parteien lohnte, andererseits hatten sie
in den Beamtenvereinen eine sehr effektive (fast gewerkschaftliche) Vertretung,
die für ihr Fortkommen sorgte.
Mit den Gehältern der beiden ersten höchsten Rangklassen, in die die politi-
schen Ämter fielen, ging man von 1873 bis zum Ende der Monarchie mit äußerster
Zurückhaltung um, das heißt, dass die Gehälter im gesamten Zeitraum nicht er-
höht wurden, die Zulagen allerdings, wie erwähnt, oft die Gehälter übertrafen. So
kamen auch die hohen und höchsten Beamten – wie es auf den ersten Blick den
Anschein haben könnte – nicht zu kurz. Seit den Zeiten Josephs II. zieht sich bei
den bürokratischen Eliten traditionsgemäß die Theorie, der Staat habe vorrangig
soziale Aufgaben zu erfüllen, wie ein roter Faden durch die Geschichte. Die Be-
amteneliten trugen die prinzipiell positive offizielle Einstellung zum Sozialstaat
– trotz Gründerzeit und Liberalismus – weiter und profitierten davon letztlich
185 Zahlen bei MEGNER, Beamte, S. 345 ff.
Josephinische Mandarine
Bürokratie und Beamte in Österreich
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Josephinische Mandarine
- Untertitel
- Bürokratie und Beamte in Österreich
- Autor
- Waltraud Heindl
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2013
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78950-5
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 336
- Schlagwörter
- Bürokratie, Beamte, Österreich, Österreich-Ungarn, nationale und politische Identitäten, Loyalitäten, Alltagskultur, Frauen im Staatsdiens, Image
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 11
- I. Bürokratie und Beamte – eine Spurensuche Versuch einer Einführung 17
- II. 1848 – ein Wendepunkt für die österreichische Bürokratie? 35
- III. Die Bürokratie und das neoabsolutistische Experiment 45
- 1. Diskussionen um die bürokratische Neugestaltung 45
- 2. Neue Strukturen und Arbeitsfelder. Die Liquidierung der Revolution auf dem Verwaltungsweg 47
- 3. Beamtenethos und Beamtenideal der neuen Ära 54
- 4. Ziviler Ungehorsam und staatliche Disziplinierung 60
- 5. Ausbildung, ökonomische Lage und sozialer Status vor 1867 66
- IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn? 85
- 1. Wandel der politischen Strukturen 85
- 2. Staatsdiener – Staatsbürger. Neue politische Rechte – neue politische Probleme 87
- 3. Widersprechende Loyalitäten: zwischen Kaiser und Staat – Nation/en und Partei/en 90
- 4. Parteipolitische Konfliktszenen 99
- 5. Nationale Illustrationen 106
- 6. Traditionelle Karrieremuster gegen politischen Protektionismus 121
- 7. Soziale Privilegierung und dienstliche Disziplinierung: Streiflichter zu den ökonomischen und sozialen Verhältnissen 1873–1914 131
- 8. Die ungewohnte Neue: Frauen im Staatsdienst 147
- 9. Macht und Ohnmacht. Direkte und indirekte Einflussnahme 154
- 10. Generationenkonflikte um 1900 160
- V. Das soziale Umfeld 165
- VI. Inszenierungen 235
- VII. Josephinismus und Moderne um 1900 253
- VIII. Was blieb? – Anstatt eines Schlusswortes 277