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IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn?
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Gewährung von Stipendien, durch Erteilung von Aufträgen und durch Ankäufe
für den Staat. In der Folge sollte die Förderung der abgelehnten Secessionisten
durch das staatliche Ministerium zum Politikum in Parlament und Öffentlichkeit
werden. Nicht nur Minister Hartel, sondern auch seine Beamten der Kunstsektion
gerieten unter Beschuss. Schlussendlich musste Hartel im Parlament den Rückzug
antreten. Hartels Kunstkenntnisse und sein Kunstsinn waren offenbar durch seine
vielen Reisen durch Europa geschult worden, die er in jungen Jahren als Hofmeis-
ter der kunstsinnigen Familie Lackoronski-Vitzthum unternommen hatte (so die
Aussage des Statthalters von Niederösterreich Kielmansegg, der sich über Hartel
nicht eben freundlich äußerte).228 Interessant ist in unserem Kontext die Position
der Beamten. Der Kunstreferent Karl von Wiener wird von seinem Untergebenen,
dem jungen Ehrhart, als tüchtiger Beamter geschildert, der kultiviert und musisch
begabt war. „Sein Departement“, so Ehrhart, „war sozusagen das Athen unter den
Städten des Unterrichtsministeriums, aber es war nicht mehr das Athen der klas-
sischen Periode, er hatte sich der Sezession verschrieben.“229 Wirklich Feuer und
Flamme für die Moderne und Motor der Förderung war der Sektionschef Stadler
von Wolffersgrün. Ehrhart dagegen hielt es mit dem Geschmack der kunstlieben-
den guten Wiener Gesellschaft, sich „grundstürzenden Neuerungen“ gegenüber
misstrauisch zu verhalten. Kein Wunder, dass Ehrhart Klimts Darstellung der Phi-
losophie als „mystisch-allegorisches Gewoge in Blau“230 schilderte. Max von Mil-
lenkovich-Morold, ein anderer Beamter des „Kunstministeriums“ in dieser Zeit,
nur kurz, 1917/18, weil von Kaiser Karl wegen seiner deutschnationalen Gesinnung
abgesetzt, Direktor des Wiener Burgtheaters, später Nationalsozialist, tritt ebenfalls
als Zeuge für die positive zeitgenössische Kunstpolitik des Ministeriums auf. „Der
staatlichen Kunstverwaltung gereichte es zur Ehre, dass sie in einer Zeit, in der sich
so viele über das Kühne und Draufgängerische entsetzten, und in der die Staats-
ämter im allgemeinen peinlich bemüht waren, das Herkommen und die Überlie-
ferung zu schützen, dennoch die Gährung im Kunstleben als etwas Erfreuliches
und Erfrischendes begrüßte. Davon, dass nur die alten Herren, die Professoren,
im Recht sein könnten, war im Ministerium nie die Rede. Der gebotenen Un-
parteilichkeit wegen wurden in die Kunstkommission die Vertreter aller Gruppen
und Körperschaften berufen, die in der Öffentlichkeit eine Rolle spielten.“231 Man
228 KIELMANSEGG, Kaiserhaus, Staatsmänner, S. 344.
229 EHRHART, Im Dienste, S. 115 f., zit. auch bei Van HEERDE, Staat und Kunst, S. 73.
230 EHRHART, Im Dienste, S. 120 f. und 117.
231 MILLENKOVICH-MOROLD, Vom Abend zum Morgen, S. 203 und 211.
Josephinische Mandarine
Bürokratie und Beamte in Österreich
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Josephinische Mandarine
- Untertitel
- Bürokratie und Beamte in Österreich
- Autor
- Waltraud Heindl
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2013
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78950-5
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 336
- Schlagwörter
- Bürokratie, Beamte, Österreich, Österreich-Ungarn, nationale und politische Identitäten, Loyalitäten, Alltagskultur, Frauen im Staatsdiens, Image
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 11
- I. Bürokratie und Beamte – eine Spurensuche Versuch einer Einführung 17
- II. 1848 – ein Wendepunkt für die österreichische Bürokratie? 35
- III. Die Bürokratie und das neoabsolutistische Experiment 45
- 1. Diskussionen um die bürokratische Neugestaltung 45
- 2. Neue Strukturen und Arbeitsfelder. Die Liquidierung der Revolution auf dem Verwaltungsweg 47
- 3. Beamtenethos und Beamtenideal der neuen Ära 54
- 4. Ziviler Ungehorsam und staatliche Disziplinierung 60
- 5. Ausbildung, ökonomische Lage und sozialer Status vor 1867 66
- IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn? 85
- 1. Wandel der politischen Strukturen 85
- 2. Staatsdiener – Staatsbürger. Neue politische Rechte – neue politische Probleme 87
- 3. Widersprechende Loyalitäten: zwischen Kaiser und Staat – Nation/en und Partei/en 90
- 4. Parteipolitische Konfliktszenen 99
- 5. Nationale Illustrationen 106
- 6. Traditionelle Karrieremuster gegen politischen Protektionismus 121
- 7. Soziale Privilegierung und dienstliche Disziplinierung: Streiflichter zu den ökonomischen und sozialen Verhältnissen 1873–1914 131
- 8. Die ungewohnte Neue: Frauen im Staatsdienst 147
- 9. Macht und Ohnmacht. Direkte und indirekte Einflussnahme 154
- 10. Generationenkonflikte um 1900 160
- V. Das soziale Umfeld 165
- VI. Inszenierungen 235
- VII. Josephinismus und Moderne um 1900 253
- VIII. Was blieb? – Anstatt eines Schlusswortes 277