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Josephinische Mandarine - Bürokratie und Beamte in Österreich
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10. Generationenkonflikte um 1900 161 geschlossen, in der sich die Meinung gebildet hatte, sie werde „einmal von Grund aus reinmachen müssen“.240 Eine ungewöhnliche Erscheinung, die in der Bürokratie bisher nicht üblich war, ist die Tatsache, dass sich die Beamten in eigener Sache in der Öffentlichkeit zu Wort meldeten. Das bereits erwähnte 1904 publizierte Buch mit dem Namen „Bureaukratie“, das von einem Insider, dem polnisch-österreichischen Beamten Olszewski, geschrieben wurde, der in Galizien Dienst tat,241 ist typisch für diese Zeiterscheinung. Es ist eine bitterböse Kritik an Bürokratie und Beamtentum, die uns Olszewski mit diesem Werk liefert. Er zeichnet die von sich positiv überzeug- ten österreichischen Beamten, die – wollen wir den Beamtenmemoiren vertrauen – sich selbst als begabte, dem Volk wohlmeinende und von diesem wiederum ge- liebte, wichtige Personen sahen, geradezu gegenteilig:242 Sie wären „volksfremd“, „unproduktiv“, „büroformalistisch“, der „Vielschreiberei“ ergeben, hochmütig und wenig hilfreich gegenüber dem Bürger. Ihr Tun erschöpfe sich im Allgemei- nen darin, „die Kontrolle der Kontrolle zu kontrollieren“.243 Fast zur selben Zeit konzipierte Max Weber das Bild der Maschine, das er in dieser neuen industria- lisierten und von der Maschine bestimmten Welt auch idealtypisch als Symbol für die Effektivität, Promptheit und Exaktheit der modernen Bürokratie verwen- dete.244 Olszewski allerdings kehrte ein negatives Bild der Maschine hervor, um die österreichische Verwaltung zu kennzeichnen: Sie illustriere die „Stumpfheit“, „Geistlosigkeit und Routine“ der Bürokratie. Ja, seine Frustration über seine „ser- vilen, selbstsüchtigen und faulen“ Berufskollegen (und wahrscheinlich auch über seine Unzufriedenheit mit seinen eigenen Beamtenqualitäten) ging so weit, dass er die von Max Weber verteufelten ehrenamtlichen (adeligen) Beamten245 dem modernen Berufsbeamtentum vorzog. Zur Bekämpfung der wichtigsten Übel empfahl er unter anderem Dezentralisierung und Stärkung des „ethisch sozialen und wirtschaftlichen Bürgersinns“, um gegen die Attacken der Bürokratie auf die 240 REDLICH, Schicksalsjahre Österreichs 1, Aus den Briefen Josef Redlichs an Flora Darkov, 9.  März 1895, S. 100. 241 Siehe Kapitel „Definitionen, Details, Daten“. Zu Olszewski auch Gregorz L. SEIDLER, Zwei Konzeptionen der Bürokratie (= Veröffentlichungen der Universität Innsbruck 101, Innsbruck 1987). 242 Siehe Kapitel „Selbstinszenierungen – Beamtenerinnerungen“. 243 OLSZEWSKI, Bureaukratie, S. 80–106. 244 WEBER, Wirtschaft und Gesellschaft, S. 561 f.; auch HEINDL, Gehorsame Rebellen: Kapitel „Max Weber und die rationale Bürokratie“, S. 348–356. 245 WEBER, Wirtschaft und Gesellschaft, S. 618 f.
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Josephinische Mandarine Bürokratie und Beamte in Österreich
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Josephinische Mandarine
Untertitel
Bürokratie und Beamte in Österreich
Autor
Waltraud Heindl
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2013
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78950-5
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
336
Schlagwörter
Bürokratie, Beamte, Österreich, Österreich-Ungarn, nationale und politische Identitäten, Loyalitäten, Alltagskultur, Frauen im Staatsdiens, Image
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 11
  2. I. Bürokratie und Beamte – eine Spurensuche Versuch einer Einführung 17
    1. 1. Theoretische Überlegungen 17
    2. 2. Die zwei Realitäten der Bürokratie 24
    3. 3. Definitionen, Details und Daten 26
  3. II. 1848 – ein Wendepunkt für die österreichische Bürokratie? 35
  4. III. Die Bürokratie und das neoabsolutistische Experiment 45
    1. 1. Diskussionen um die bürokratische Neugestaltung 45
    2. 2. Neue Strukturen und Arbeitsfelder. Die Liquidierung der Revolution auf dem Verwaltungsweg 47
    3. 3. Beamtenethos und Beamtenideal der neuen Ära 54
    4. 4. Ziviler Ungehorsam und staatliche Disziplinierung 60
    5. 5. Ausbildung, ökonomische Lage und sozialer Status vor 1867 66
  5. IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn? 85
    1. 1. Wandel der politischen Strukturen 85
    2. 2. Staatsdiener – Staatsbürger. Neue politische Rechte – neue politische Probleme 87
    3. 3. Widersprechende Loyalitäten: zwischen Kaiser und Staat – Nation/en und Partei/en 90
    4. 4. Parteipolitische Konfliktszenen 99
    5. 5. Nationale Illustrationen 106
    6. 6. Traditionelle Karrieremuster gegen politischen Protektionismus 121
    7. 7. Soziale Privilegierung und dienstliche Disziplinierung: Streiflichter zu den ökonomischen und sozialen Verhältnissen 1873–1914 131
    8. 8. Die ungewohnte Neue: Frauen im Staatsdienst 147
    9. 9. Macht und Ohnmacht. Direkte und indirekte Einflussnahme 154
    10. 10. Generationenkonflikte um 1900 160
  6. V. Das soziale Umfeld 165
    1. 1. Beamte und bürgerliche Gesellschaft 165
    2. 2. Der Alltag im bürokratischen Leben oder die kleinen großen Unterschiede 168
      1. Soziale Distinktionen: Ausbildung, Karriere und Rekrutierung 170
      2. Äußere Zeichen – Für und Wider die Beamtenuniform 177
      3. Umgangsformen im Amt 180
      4. Arbeitszeit und Amtsräume 184
      5. Amtsroutine, Akten und bürokratische Skurrilitäten 187
    3. 3. Verbindende Gemeinsamkeiten – Amtsstil, Kanzleisprache und die Architektur der Amtsgebäude 190
    4. 4. Der private Alltag – das symbolische Kapital 198
      1. Amtsroutine im Privatleben? 198
      2. Bürgerlicher Lebensstandard?
      3. Die Grundbedürfnisse Essen und Wohnen 200
      4. Die Beamtenfamilie: Intimität und Öffentlichkeit 209
      5. Die „gut-bürgerliche“ Gesellschaft – Private Netzwerke 221
      6. Freizeitgestaltung als Netzwerkbildung 229
  7. VI. Inszenierungen 235
    1. 1. Literarische Inszenierungen – Fremdbilder 235
    2. 2. Selbstinszenierungen – Selbstzeugnisse 244
  8. VII. Josephinismus und Moderne um 1900 253
    1. 1. Typisch „josephinische“ Beamteneliten? 253
    2. 2. „Andersgläubige“, Sozialdemokraten und Künstler – ungewöhnliche josephinische Beamte? 260
    3. 3. Ein anderer ungewöhnlicher Beamter – Dr. Ludwig Ritter von Janikowski 267
  9. VIII. Was blieb? – Anstatt eines Schlusswortes 277
    1. Anhang 285
    2. Bildnachweis 285
    3. Abkürzungsverzeichnis 286
      1. I. Die Verwaltung und Organisation des österreichischen Kaiserstaates 287
      2. II. Entwicklung der Gehälter der höheren Beamten nach den Gehaltsreformen 288
    4. Quellen-und Literaturverzeichnis 290
    5. Archivalische Quellen 290
    6. Gedruckte Quellen 291
    7. Autobiografische Schriften 295
    8. Ausgewählte Roman- und Dramenliteratur 298
    9. Sekundärliteratur 299
    10. Sachregister 313
    11. Namenregister 317
    12. Ortsamenregister 321
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