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Josephinische Mandarine - Bürokratie und Beamte in Österreich
Seite - 166 -
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V. Das soziale Umfeld 166 die „kleinen“ Beamten, zum Mittelstand gehörig betrachtet haben, was immer der subalterne Zeitgenosse der 1870er-Jahre unter dem Begriff Mittelstand verstanden haben mochte. Verwendete er ihn als Synonym für Bürgertum, das sich bereits von der alten Ständegesellschaft zur Klassengesellschaft entwickelt hatte?256 Jeden- falls gehörten, und das ist für uns wichtig, Beamte mit akademischer Bildung (ab VI. Rangklasse) dem Bürgertum an. Die Selbsteinschätzung beantwortet uns die Frage, die von Hansjoachim Henning in Bezug auf das westdeutsche Beamtentum dieser Epoche erhoben wurde, ob denn die Beamten auch Bürger gewesen seien.257 Dem Selbstverständnis der österreichischen bürokratischen Eliten zufolge ist die Frage eindeutig mit einem Ja zu beantworten. Es bleibt zu beschreiben, inwie- weit sich auch der Lebensstil und die Reputation in der Öffentlichkeit, also die Fremdeinschätzung, mit dem offensichtlichen bürgerlichen Selbstbewusstsein der Beamten deckten. Das Einkommen sprach, wie wir sahen, nicht unbedingt dafür, dem geachteten Bürgerstand angehört zu haben. Angesichts der in der Gründer- zeit zumindest wohlhabend, ja reich gewordenen besitzbürgerlichen Gruppen der Unternehmer, Industriellen, Händler, Künstler etc. konnte sich das Salär selbst der Hochbürokratie kaum neben dem Besitzstand der Besitzbürger sehen lassen.258 Aber es gab eine nuancierte Skala des Bürgertums, dem die bürokratischen Eliten angehören konnten. Wenn Hansjoachim Henning die parteiliche Ausrichtung bzw. Zugehörigkeit zum Maßstab nimmt und sich erkundigt, ob die Beamten dem Liberalismus oder eher dem Konservativismus zuneigten, so müssen wir, wie im Übrigen auch Hen- ning bezüglich des westdeutschen Bürgertums, an dieser Klassifikation scheitern. Für eine Großgruppe ist diese (an sich bereits) schwierige Klassifikation nicht – bzw. höchstens in Einzelfällen – möglich. Und auch dies ergibt ein disparates Bild. Der liberale Universitätsprofessor Josef Redlich, einer der besten Kenner der 1850er- und 1860er-Jahre, sieht in der hohen Bürokratie cum grano salis den Mo- tor der Modernisierung, des Rechtsstaates, der liberalen Bürgergesellschaft im Ge- 256 Auch John Boyer nimmt das Rangklassensystem als Beispiel, um zwischen Mittelstand und Bürgertum in der Wiener Gesellschaft zu unterscheiden. BO�ER, Veränderungen im poli- tischen Leben Wiens, S. 157 ff. 257 HANSJOACHIM HENNING, Das westdeutsche Bürgertum in der Epoche der Hochindus- trialisierung 1860–1914. Soziales Verhalten und soziale Strukturen I: Das Bildungsbürgertum in den preußischen Westprovinzen (= Historische Forschungen 6, Wiesbaden 1972), S. 32; zit. auch von JÜRGEN KOCKA, Bürgertum und Bürgerlichkeit als Probleme der deutschen Geschichte vom späten 18. zum frühen 20. Jahrhundert, hg. von Jürgen Kocka (Göttingen 1987), S. 59, Anm. 26; siehe auch HEINDL, Gehorsame Rebellen, S. 225. 258 Siehe Kapitel „Ökonomische und soziale Verhältnisse“.
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Josephinische Mandarine Bürokratie und Beamte in Österreich
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Josephinische Mandarine
Untertitel
Bürokratie und Beamte in Österreich
Autor
Waltraud Heindl
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2013
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78950-5
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
336
Schlagwörter
Bürokratie, Beamte, Österreich, Österreich-Ungarn, nationale und politische Identitäten, Loyalitäten, Alltagskultur, Frauen im Staatsdiens, Image
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 11
  2. I. Bürokratie und Beamte – eine Spurensuche Versuch einer Einführung 17
    1. 1. Theoretische Überlegungen 17
    2. 2. Die zwei Realitäten der Bürokratie 24
    3. 3. Definitionen, Details und Daten 26
  3. II. 1848 – ein Wendepunkt für die österreichische Bürokratie? 35
  4. III. Die Bürokratie und das neoabsolutistische Experiment 45
    1. 1. Diskussionen um die bürokratische Neugestaltung 45
    2. 2. Neue Strukturen und Arbeitsfelder. Die Liquidierung der Revolution auf dem Verwaltungsweg 47
    3. 3. Beamtenethos und Beamtenideal der neuen Ära 54
    4. 4. Ziviler Ungehorsam und staatliche Disziplinierung 60
    5. 5. Ausbildung, ökonomische Lage und sozialer Status vor 1867 66
  5. IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn? 85
    1. 1. Wandel der politischen Strukturen 85
    2. 2. Staatsdiener – Staatsbürger. Neue politische Rechte – neue politische Probleme 87
    3. 3. Widersprechende Loyalitäten: zwischen Kaiser und Staat – Nation/en und Partei/en 90
    4. 4. Parteipolitische Konfliktszenen 99
    5. 5. Nationale Illustrationen 106
    6. 6. Traditionelle Karrieremuster gegen politischen Protektionismus 121
    7. 7. Soziale Privilegierung und dienstliche Disziplinierung: Streiflichter zu den ökonomischen und sozialen Verhältnissen 1873–1914 131
    8. 8. Die ungewohnte Neue: Frauen im Staatsdienst 147
    9. 9. Macht und Ohnmacht. Direkte und indirekte Einflussnahme 154
    10. 10. Generationenkonflikte um 1900 160
  6. V. Das soziale Umfeld 165
    1. 1. Beamte und bürgerliche Gesellschaft 165
    2. 2. Der Alltag im bürokratischen Leben oder die kleinen großen Unterschiede 168
      1. Soziale Distinktionen: Ausbildung, Karriere und Rekrutierung 170
      2. Äußere Zeichen – Für und Wider die Beamtenuniform 177
      3. Umgangsformen im Amt 180
      4. Arbeitszeit und Amtsräume 184
      5. Amtsroutine, Akten und bürokratische Skurrilitäten 187
    3. 3. Verbindende Gemeinsamkeiten – Amtsstil, Kanzleisprache und die Architektur der Amtsgebäude 190
    4. 4. Der private Alltag – das symbolische Kapital 198
      1. Amtsroutine im Privatleben? 198
      2. Bürgerlicher Lebensstandard?
      3. Die Grundbedürfnisse Essen und Wohnen 200
      4. Die Beamtenfamilie: Intimität und Öffentlichkeit 209
      5. Die „gut-bürgerliche“ Gesellschaft – Private Netzwerke 221
      6. Freizeitgestaltung als Netzwerkbildung 229
  7. VI. Inszenierungen 235
    1. 1. Literarische Inszenierungen – Fremdbilder 235
    2. 2. Selbstinszenierungen – Selbstzeugnisse 244
  8. VII. Josephinismus und Moderne um 1900 253
    1. 1. Typisch „josephinische“ Beamteneliten? 253
    2. 2. „Andersgläubige“, Sozialdemokraten und Künstler – ungewöhnliche josephinische Beamte? 260
    3. 3. Ein anderer ungewöhnlicher Beamter – Dr. Ludwig Ritter von Janikowski 267
  9. VIII. Was blieb? – Anstatt eines Schlusswortes 277
    1. Anhang 285
    2. Bildnachweis 285
    3. Abkürzungsverzeichnis 286
      1. I. Die Verwaltung und Organisation des österreichischen Kaiserstaates 287
      2. II. Entwicklung der Gehälter der höheren Beamten nach den Gehaltsreformen 288
    4. Quellen-und Literaturverzeichnis 290
    5. Archivalische Quellen 290
    6. Gedruckte Quellen 291
    7. Autobiografische Schriften 295
    8. Ausgewählte Roman- und Dramenliteratur 298
    9. Sekundärliteratur 299
    10. Sachregister 313
    11. Namenregister 317
    12. Ortsamenregister 321
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