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1. Beamte und bürgerliche Gesellschaft
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gensatz zu ihrem Feind, dem Feudaladel.259 Das mag für diesen Zeitraum im Gro-
ßen und Ganzen nicht unrichtig gewesen sein, spätestens mit dem Aufkommen
der Massenparteien wird die Zuordnung jedoch schwieriger. Den meisten der Bü-
rokraten waren, wie bereits dargelegt, die Kernstücke der bürgerlichen Ideologie,
Liberalismus und Nationalismus, sehr wohl vertraut –, doch sahen sie diese als
untrennbare Einheit? Manche waren national, ohne den Liberalismus nur in An-
sätzen zu kennen, manche waren umgekehrt liberal, ohne nationale Vorlieben zu
haben. Konservativ waren wohl die meisten Beamten, wenn es um die Loyalität
zu Kaiser und Dynastie ging; und je gefährlicher die Nationalitäten- und Partei-
enkämpfe wurden, umso mehr fanden sie Halt an ihrem obersten Dienstherrn
– (in der Spätzeit der Monarchie) selbst die meisten adelskritisch eingestellten
Sozialdemokraten.260 Selbstverständlich konnte man auch konservativ sein ohne
Anhänglichkeit an das Allerhöchste Haus. Außerdem wechselten Beamte – wie
auch andere Staatsbürger – ihre Orientierung. Die Bürokraten hatten noch dazu
den absoluten Imperativ zu befolgen, „objektiv“ zu agieren, das heißt keine Ge-
sinnung (so man eine hatte) nach außen erkennen zu lassen. So können wir nur in
seltenen Fällen bei Beamten eine eindeutige parteiliche Ausrichtung diagnostizie-
ren. Ausgenommen waren Beamte, die politische Ämter, vor allem Ministerämter,
bekleideten (und auch die wie im Fall der Beamtenministerien nicht immer).
Nehmen wir allerdings (neben dem Selbstverständnis) andere Kriterien, wie
Bildung, kulturelle Gewohnheiten, den Respekt und die Reputation, die man in
der Öffentlichkeit den Beamten zollte, zu Hilfe, so dürften wir der Klassifikation
der höheren Beamten als bürgerliche Gruppe wohl näher kommen. In ihrer All-
tagskultur versuchten alle Ränge der Beamten, bürgerliche Zugehörigkeit, gleich
welchen Charakters (klein-, mittel-, groß-/bildungsbürgerlich), zu demonstrieren,
auch wenn es, wie wir noch sehen werden, finanziell schwerfiel. Sie maßen der
Demonstration, im Besitz bürgerlicher Kultur zu sein, hohe Bedeutung zu.
259 REDLICH, Staats- und Reichsproblem 1, im Besonderen S. 694–701, 715–732 und 402;
vgl. auch HARM-HINRICH BRANDT, Liberalismus in Österreich zwischen Revolution
und großer Depression. In: Liberalismus im 19. Jahrhundert. Deutschland im europäischen
Vergleich, hg. von Dieter Langewiesche (Göttingen 1987), S. 136 und 139.
260 Siehe Kapitel „Parteipolitische Konfliktszenen“.
Josephinische Mandarine
Bürokratie und Beamte in Österreich
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Josephinische Mandarine
- Untertitel
- Bürokratie und Beamte in Österreich
- Autor
- Waltraud Heindl
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2013
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78950-5
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 336
- Schlagwörter
- Bürokratie, Beamte, Österreich, Österreich-Ungarn, nationale und politische Identitäten, Loyalitäten, Alltagskultur, Frauen im Staatsdiens, Image
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 11
- I. Bürokratie und Beamte – eine Spurensuche Versuch einer Einführung 17
- II. 1848 – ein Wendepunkt für die österreichische Bürokratie? 35
- III. Die Bürokratie und das neoabsolutistische Experiment 45
- 1. Diskussionen um die bürokratische Neugestaltung 45
- 2. Neue Strukturen und Arbeitsfelder. Die Liquidierung der Revolution auf dem Verwaltungsweg 47
- 3. Beamtenethos und Beamtenideal der neuen Ära 54
- 4. Ziviler Ungehorsam und staatliche Disziplinierung 60
- 5. Ausbildung, ökonomische Lage und sozialer Status vor 1867 66
- IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn? 85
- 1. Wandel der politischen Strukturen 85
- 2. Staatsdiener – Staatsbürger. Neue politische Rechte – neue politische Probleme 87
- 3. Widersprechende Loyalitäten: zwischen Kaiser und Staat – Nation/en und Partei/en 90
- 4. Parteipolitische Konfliktszenen 99
- 5. Nationale Illustrationen 106
- 6. Traditionelle Karrieremuster gegen politischen Protektionismus 121
- 7. Soziale Privilegierung und dienstliche Disziplinierung: Streiflichter zu den ökonomischen und sozialen Verhältnissen 1873–1914 131
- 8. Die ungewohnte Neue: Frauen im Staatsdienst 147
- 9. Macht und Ohnmacht. Direkte und indirekte Einflussnahme 154
- 10. Generationenkonflikte um 1900 160
- V. Das soziale Umfeld 165
- VI. Inszenierungen 235
- VII. Josephinismus und Moderne um 1900 253
- VIII. Was blieb? – Anstatt eines Schlusswortes 277