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Josephinische Mandarine - Bürokratie und Beamte in Österreich
Seite - 191 -
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191 3. Verbindende Gemeinsamkeiten Der „ministerielle Stil“ betraf die Art der Anrede, der Höflichkeitsfloskeln, kurz gesagt den Schreibstil und den schriftlichen Umgangston der Behörden unterein- ander, der umso gewundener, höflich-bombastischer und obrigkeitsstaatlicher zu sein hatte, je höher die Behörde war, worauf in den Ministerien und höheren Be- hörden höchster Wert gelegt wurde.330 Einer Bezirkshauptmannschaft konnte unter Umständen (wenn der Bezirkshauptmann nicht gerade einer berühmten Familie entstammte) kurz geantwortet werden, unmöglich war eine solch bündige Antwort an eine „hohe“ Behörde. An den k. k. Verwaltungsgerichtshof zum Beispiel hatte eine Anfrage mit einer Gegenschrift mit „wunderbaren Übergängen“ beantwortet zu werden, die „wie ein mächtiger breiter Strom […] durch die fruchtbare Ebene der Beweisführung hin“ floss, „bis sie sich in den Schlussantrag ergoß: Das k. k. Finanzministerium erlaubt sich daher, an den hohen k. k. Verwaltungsgerichtshof den Antrag zu stellen, aus den vorstehend angeführten Gründen, die gegen die hier- ortige Entscheidung vom … Zahl … eingebrachte Beschwerde des … abzuweisen.“ So blumenreich schildert uns der Finanzbeamte Kleinwaechter den Schreibstil der hohen Behörden untereinander. Auch Rügen hatten eine besondere Wortwahl auf- zuweisen: „Unliebsam wurde bemerkt, dass …“ oder die Behörde „wird zur Ver- meidung derartiger unliebsamer Vorkommnisse angewiesen, in Hinkunft ihr Au- genmerk zu richten, dass …“. Oder „das Finanzministerium würde sich ansonsten gezwungen sehen … derartige Vorfälle unter gar keinen Umständen zu dulden“, etc. Aus den kleinen Beispielen tritt ein Charakteristikum klar hervor, das ist die distanzierte und kühl-zurückhaltende Form, die offenbar den eigentlichen „minis- teriellen Stil“ ausmachte, ja es zählte zu den wesentlichen Aufgaben der Behörden, in den Schriftstücken das streng „unpersönliche“ Gewand zu wahren, in dem sich das österreichische Amt nach außen zu präsentieren hatte. „Niemand spricht in der ersten Person, niemand wird angeredet: – ‚Es wird ersucht‘ – ‚Es ist verboten‘ – ‚es wird mitgeteilt‘ – ‚Es ist sich zu wenden‘“, so schildert uns Friedländer den Stil des österreichischen Amtes und begründet es mit der Macht des Amtes, hin- ter dem der Beamte vollkommen zurückzutreten hatte. Bei Amtsantritt habe der wichtige Imperativ an die Adresse eines jeden Beamten durch den Vorgesetzten gelautet: „Sie sind niemand – Sie haben gar keine Macht, das Amt hat Macht, und Sie üben nur die Macht des Amtes aus – Sie haben daher niemals ‚ich‘ zu sagen – Sie haben niemanden etwas zu befehlen – das Amt befiehlt […] das Amt darf anschaffen.“331 330 Zum Folgenden KLEINWAECHTER, Der fröhliche Präsidialist, S. 54 f. und 49 f. 331 FRIEDLÄNDER, Letzter Glanz der Märchenstadt, S. 69.
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Josephinische Mandarine Bürokratie und Beamte in Österreich
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Josephinische Mandarine
Untertitel
Bürokratie und Beamte in Österreich
Autor
Waltraud Heindl
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2013
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78950-5
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
336
Schlagwörter
Bürokratie, Beamte, Österreich, Österreich-Ungarn, nationale und politische Identitäten, Loyalitäten, Alltagskultur, Frauen im Staatsdiens, Image
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 11
  2. I. Bürokratie und Beamte – eine Spurensuche Versuch einer Einführung 17
    1. 1. Theoretische Überlegungen 17
    2. 2. Die zwei Realitäten der Bürokratie 24
    3. 3. Definitionen, Details und Daten 26
  3. II. 1848 – ein Wendepunkt für die österreichische Bürokratie? 35
  4. III. Die Bürokratie und das neoabsolutistische Experiment 45
    1. 1. Diskussionen um die bürokratische Neugestaltung 45
    2. 2. Neue Strukturen und Arbeitsfelder. Die Liquidierung der Revolution auf dem Verwaltungsweg 47
    3. 3. Beamtenethos und Beamtenideal der neuen Ära 54
    4. 4. Ziviler Ungehorsam und staatliche Disziplinierung 60
    5. 5. Ausbildung, ökonomische Lage und sozialer Status vor 1867 66
  5. IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn? 85
    1. 1. Wandel der politischen Strukturen 85
    2. 2. Staatsdiener – Staatsbürger. Neue politische Rechte – neue politische Probleme 87
    3. 3. Widersprechende Loyalitäten: zwischen Kaiser und Staat – Nation/en und Partei/en 90
    4. 4. Parteipolitische Konfliktszenen 99
    5. 5. Nationale Illustrationen 106
    6. 6. Traditionelle Karrieremuster gegen politischen Protektionismus 121
    7. 7. Soziale Privilegierung und dienstliche Disziplinierung: Streiflichter zu den ökonomischen und sozialen Verhältnissen 1873–1914 131
    8. 8. Die ungewohnte Neue: Frauen im Staatsdienst 147
    9. 9. Macht und Ohnmacht. Direkte und indirekte Einflussnahme 154
    10. 10. Generationenkonflikte um 1900 160
  6. V. Das soziale Umfeld 165
    1. 1. Beamte und bürgerliche Gesellschaft 165
    2. 2. Der Alltag im bürokratischen Leben oder die kleinen großen Unterschiede 168
      1. Soziale Distinktionen: Ausbildung, Karriere und Rekrutierung 170
      2. Äußere Zeichen – Für und Wider die Beamtenuniform 177
      3. Umgangsformen im Amt 180
      4. Arbeitszeit und Amtsräume 184
      5. Amtsroutine, Akten und bürokratische Skurrilitäten 187
    3. 3. Verbindende Gemeinsamkeiten – Amtsstil, Kanzleisprache und die Architektur der Amtsgebäude 190
    4. 4. Der private Alltag – das symbolische Kapital 198
      1. Amtsroutine im Privatleben? 198
      2. Bürgerlicher Lebensstandard?
      3. Die Grundbedürfnisse Essen und Wohnen 200
      4. Die Beamtenfamilie: Intimität und Öffentlichkeit 209
      5. Die „gut-bürgerliche“ Gesellschaft – Private Netzwerke 221
      6. Freizeitgestaltung als Netzwerkbildung 229
  7. VI. Inszenierungen 235
    1. 1. Literarische Inszenierungen – Fremdbilder 235
    2. 2. Selbstinszenierungen – Selbstzeugnisse 244
  8. VII. Josephinismus und Moderne um 1900 253
    1. 1. Typisch „josephinische“ Beamteneliten? 253
    2. 2. „Andersgläubige“, Sozialdemokraten und Künstler – ungewöhnliche josephinische Beamte? 260
    3. 3. Ein anderer ungewöhnlicher Beamter – Dr. Ludwig Ritter von Janikowski 267
  9. VIII. Was blieb? – Anstatt eines Schlusswortes 277
    1. Anhang 285
    2. Bildnachweis 285
    3. Abkürzungsverzeichnis 286
      1. I. Die Verwaltung und Organisation des österreichischen Kaiserstaates 287
      2. II. Entwicklung der Gehälter der höheren Beamten nach den Gehaltsreformen 288
    4. Quellen-und Literaturverzeichnis 290
    5. Archivalische Quellen 290
    6. Gedruckte Quellen 291
    7. Autobiografische Schriften 295
    8. Ausgewählte Roman- und Dramenliteratur 298
    9. Sekundärliteratur 299
    10. Sachregister 313
    11. Namenregister 317
    12. Ortsamenregister 321
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