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3. Verbindende Gemeinsamkeiten
Gebäude, oft die schönsten Häuser der Orte“,342 so lautet ein Beispiel. Im Unter-
schied dazu hatten die wenigen privaten Sponsoren für Schulbauten wie die Firma
Krupp in Berndorf/Niederösterreich eine andere Pädagogik im Auge: Die Firma
Krupp ließ jedes Klassenzimmer in der Schule in einem anderen historischen Stil
errichten, um die Schüler in leicht fasslicher Form in Stilkunde zu unterweisen. Der
Aufwand an finanziellen Mitteln muss sich auf ein Mehrfaches belaufen haben als
jener für die Bauten der öffentlichen Hand in ihrem schmucklosen Gewand, die
dafür – im Sinne der Secessionisten – „Reinheit“ und „Ehrlichkeit“ demonstrierten.
Das Ministerium versagte es sich nicht, besonders die Lehrer auf die große
kulturelle Leistung des Staates bei der Förderung der modernen Kunst hinzuwei-
sen: „Mit Olbrich und Wagner, Hoffmann, Roller, Myrbach, Lefler kommen neue
Ideen auf und suchen die alten zu überwinden. […] Fürwahr, die Kunst hat alle-
zeit ein Vaterland und Mutterland in Österreich gehabt […]“,343 heißt es in einer
Botschaft an die Lehrer. Der patriotische Zweck der Unterweisung ist nicht zu
übersehen.
Mit der Entscheidung für den zeitgenössischen Stil hatte sich der Staat als Auf-
traggeber der öffentlichen Amtsgebäude – und mit ihm die Bürokratie – tatsäch-
lich zum Vorreiter der Moderne entwickelt. Van Heerde spricht daher von einem
„österreichischen Stil“ der Formensprache in der Architektur, der besonders bei
den öffentlichen Gebäuden zur Geltung komme, trotz des stilistischen Pluralis-
mus der österreichischen Kunst dieser Zeit. Im Zusammenhang mit Kunstförde-
rung im Allgemeinen förderte der Staat allerdings alle Stile, Neo-Stile, Jugendstil,
Moderne, Heimatstil,344 doch die Amtsgebäude mussten sich architektonisch nach
außen hin wie der gesamte Staatsapparat einheitlich präsentieren, so wie dieser
eben gerne gesehen werden wollte. Sparsamkeit und die Demonstration von
Macht des Staates vor dem „Volk“ schlossen einander nicht aus.
342 Van HEERDE, Staat und Kunst, S. 39, zitiert WILHELM AMON, JOSEF KRAFT, JOH.
GEORG ROTHAUG, Österreichisches Geschichtsbuch für Bürgerschulen in drei Teilen, III.
Teil (Wien 1908), S. 67.
343 Van HEERDE, Staat und Kunst, S. 41, Zitat aus: KARL SCHWALM, Methodisches Handbuch
für den Geschichtsunterricht an Bürgerschulen und verwandten Anstalten. In drei Teilen, III.
Teil (Wien 1913), S. 319 f.
344 Van HEERDE, Staat und Kunst, S. 233 f.
Josephinische Mandarine
Bürokratie und Beamte in Österreich
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Josephinische Mandarine
- Untertitel
- Bürokratie und Beamte in Österreich
- Autor
- Waltraud Heindl
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2013
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78950-5
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 336
- Schlagwörter
- Bürokratie, Beamte, Österreich, Österreich-Ungarn, nationale und politische Identitäten, Loyalitäten, Alltagskultur, Frauen im Staatsdiens, Image
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 11
- I. Bürokratie und Beamte – eine Spurensuche Versuch einer Einführung 17
- II. 1848 – ein Wendepunkt für die österreichische Bürokratie? 35
- III. Die Bürokratie und das neoabsolutistische Experiment 45
- 1. Diskussionen um die bürokratische Neugestaltung 45
- 2. Neue Strukturen und Arbeitsfelder. Die Liquidierung der Revolution auf dem Verwaltungsweg 47
- 3. Beamtenethos und Beamtenideal der neuen Ära 54
- 4. Ziviler Ungehorsam und staatliche Disziplinierung 60
- 5. Ausbildung, ökonomische Lage und sozialer Status vor 1867 66
- IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn? 85
- 1. Wandel der politischen Strukturen 85
- 2. Staatsdiener – Staatsbürger. Neue politische Rechte – neue politische Probleme 87
- 3. Widersprechende Loyalitäten: zwischen Kaiser und Staat – Nation/en und Partei/en 90
- 4. Parteipolitische Konfliktszenen 99
- 5. Nationale Illustrationen 106
- 6. Traditionelle Karrieremuster gegen politischen Protektionismus 121
- 7. Soziale Privilegierung und dienstliche Disziplinierung: Streiflichter zu den ökonomischen und sozialen Verhältnissen 1873–1914 131
- 8. Die ungewohnte Neue: Frauen im Staatsdienst 147
- 9. Macht und Ohnmacht. Direkte und indirekte Einflussnahme 154
- 10. Generationenkonflikte um 1900 160
- V. Das soziale Umfeld 165
- VI. Inszenierungen 235
- VII. Josephinismus und Moderne um 1900 253
- VIII. Was blieb? – Anstatt eines Schlusswortes 277