Web-Books
im Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Geschichte
Historische Aufzeichnungen
Josephinische Mandarine - Bürokratie und Beamte in Österreich
Seite - 199 -
  • Benutzer
  • Version
    • Vollversion
    • Textversion
  • Sprache
    • Deutsch
    • English - Englisch

Seite - 199 - in Josephinische Mandarine - Bürokratie und Beamte in Österreich

Bild der Seite - 199 -

Bild der Seite - 199 - in Josephinische Mandarine - Bürokratie und Beamte in Österreich

Text der Seite - 199 -

199 4. Der private Alltag – das symbolische Kapital beachtliche Karriere vom Bezirksrichter zum Hofgerichtsrat in Prag zurückgelegt hatte, folgendermaßen: „Das Leben der Stránskýs in Mělník war sehr regelmäßig, regelmäßiger als die Uhr. Das war das Verdienst des Großvaters. Er brachte in den Haushalt seine Kanzleigewohnheiten ein und hielt daran bis zu seinem Tode fest. Niemand traute sich, sein Tagesprogramm zu stören, am wenigsten meine Groß- mutter, die zwar sonst sehr selbständig war, aber durch die damalige Erziehung angehalten worden war, in ihrem Mann das ,Oberhaupt der Familie‘ und den ‚Haushaltsvorstand‘ zu sehen und ihn stets zu respektieren. Das Vermögen ver- waltete sie nach ihrem Gutdünken, aber die Ordnung, die er im Haus einführte, nahm sie ohne Widerrede an, auch wenn sie manchmal gegen ihren Sinn war. Um sieben Uhr in der Früh standen wir auf, und zum Frühstück kam der Großvater schon ganz angezogen, als ob er sofort ins Büro weggehen wollte. Er frühstückte nur puren Tee ohne Gebäck, während alle übrigen Milchkaffee tranken.“347 Die amtliche Routine wirkte, wie uns die Enkelin Ludmila berichtete, über das Amts- leben hinaus noch im Pensionsalter nach. Auch der alte Adolph Freiherr von Pratobevera trug noch trotz seines Augenleidens wichtige politische und andere Ereignisse in sein Tagebuch ein,348 wie der junge es gemacht hatte. Die Belletristik nahm sich des Themas häufig an, zeichnet aber diese Übertragung des Amtslebens auf die private Lebenswelt als eher kurios. Sabine Zelger berichtet uns von einer Reihe solcher Romane.349 In Ergänzung soll hier der heute fast vergessene Roman des 1876 geborenen Journalisten und Feuilletonisten Karl Tschuppik, der Leute und Gebräuche der Monarchie noch gut kannte, „Ein Sohn aus gutem Haus“, angeführt werden, in dem die Amtsroutine des Ministerialrates d’Adorno das Le- ben der gesamten Familie gestaltete.350 Dieser Beamtentypus war kein Einzelfall, das Weitertragen des Amtlichen gehörte zu seinem eigentlichen Habitus, prägte das allgemein gängige Bild von der Mentalität der Beamten. Im Übrigen bestätigt sich im weiten Feld der Amtsdisziplin die These von Michel Foucault, dass die Disziplin eine der wichtigsten Strategien staatlicher Macht bedeute,351 die, wie die Beispiele zeigen, nicht nur das Berufs-, sondern auch das Privatleben durchdrang. 347 MATIEGKA, MATIEGKOVÁ. In: VOŠALÍKOVÁ, Von Amts wegen, S. 293 und 308. 348 Nachlass Pratobevera, Karton 13, Tagebücher 1865–1875, HHSTA. 349 ZELGER, Das ist alles viel komplizierter, S. 256–273. 350 KARL TSCHUPPIK, Ein Sohn aus gutem Haus (Ersterscheinung: Amsterdam 1937, verfilmt 1989 unter der Regie von Karin Brandauer). Ich danke Herrn Dr. Herbert Krejci für diesen Hinweis. 351 Siehe zum Beispiel MICHEL FOUCAULT, Überwachen und Strafen. Die Geburt des Gefängnisses (Frankfurt am Main 1994), S. 175.
zurück zum  Buch Josephinische Mandarine - Bürokratie und Beamte in Österreich"
Josephinische Mandarine Bürokratie und Beamte in Österreich
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Josephinische Mandarine
Untertitel
Bürokratie und Beamte in Österreich
Autor
Waltraud Heindl
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2013
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78950-5
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
336
Schlagwörter
Bürokratie, Beamte, Österreich, Österreich-Ungarn, nationale und politische Identitäten, Loyalitäten, Alltagskultur, Frauen im Staatsdiens, Image
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 11
  2. I. Bürokratie und Beamte – eine Spurensuche Versuch einer Einführung 17
    1. 1. Theoretische Überlegungen 17
    2. 2. Die zwei Realitäten der Bürokratie 24
    3. 3. Definitionen, Details und Daten 26
  3. II. 1848 – ein Wendepunkt für die österreichische Bürokratie? 35
  4. III. Die Bürokratie und das neoabsolutistische Experiment 45
    1. 1. Diskussionen um die bürokratische Neugestaltung 45
    2. 2. Neue Strukturen und Arbeitsfelder. Die Liquidierung der Revolution auf dem Verwaltungsweg 47
    3. 3. Beamtenethos und Beamtenideal der neuen Ära 54
    4. 4. Ziviler Ungehorsam und staatliche Disziplinierung 60
    5. 5. Ausbildung, ökonomische Lage und sozialer Status vor 1867 66
  5. IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn? 85
    1. 1. Wandel der politischen Strukturen 85
    2. 2. Staatsdiener – Staatsbürger. Neue politische Rechte – neue politische Probleme 87
    3. 3. Widersprechende Loyalitäten: zwischen Kaiser und Staat – Nation/en und Partei/en 90
    4. 4. Parteipolitische Konfliktszenen 99
    5. 5. Nationale Illustrationen 106
    6. 6. Traditionelle Karrieremuster gegen politischen Protektionismus 121
    7. 7. Soziale Privilegierung und dienstliche Disziplinierung: Streiflichter zu den ökonomischen und sozialen Verhältnissen 1873–1914 131
    8. 8. Die ungewohnte Neue: Frauen im Staatsdienst 147
    9. 9. Macht und Ohnmacht. Direkte und indirekte Einflussnahme 154
    10. 10. Generationenkonflikte um 1900 160
  6. V. Das soziale Umfeld 165
    1. 1. Beamte und bürgerliche Gesellschaft 165
    2. 2. Der Alltag im bürokratischen Leben oder die kleinen großen Unterschiede 168
      1. Soziale Distinktionen: Ausbildung, Karriere und Rekrutierung 170
      2. Äußere Zeichen – Für und Wider die Beamtenuniform 177
      3. Umgangsformen im Amt 180
      4. Arbeitszeit und Amtsräume 184
      5. Amtsroutine, Akten und bürokratische Skurrilitäten 187
    3. 3. Verbindende Gemeinsamkeiten – Amtsstil, Kanzleisprache und die Architektur der Amtsgebäude 190
    4. 4. Der private Alltag – das symbolische Kapital 198
      1. Amtsroutine im Privatleben? 198
      2. Bürgerlicher Lebensstandard?
      3. Die Grundbedürfnisse Essen und Wohnen 200
      4. Die Beamtenfamilie: Intimität und Öffentlichkeit 209
      5. Die „gut-bürgerliche“ Gesellschaft – Private Netzwerke 221
      6. Freizeitgestaltung als Netzwerkbildung 229
  7. VI. Inszenierungen 235
    1. 1. Literarische Inszenierungen – Fremdbilder 235
    2. 2. Selbstinszenierungen – Selbstzeugnisse 244
  8. VII. Josephinismus und Moderne um 1900 253
    1. 1. Typisch „josephinische“ Beamteneliten? 253
    2. 2. „Andersgläubige“, Sozialdemokraten und Künstler – ungewöhnliche josephinische Beamte? 260
    3. 3. Ein anderer ungewöhnlicher Beamter – Dr. Ludwig Ritter von Janikowski 267
  9. VIII. Was blieb? – Anstatt eines Schlusswortes 277
    1. Anhang 285
    2. Bildnachweis 285
    3. Abkürzungsverzeichnis 286
      1. I. Die Verwaltung und Organisation des österreichischen Kaiserstaates 287
      2. II. Entwicklung der Gehälter der höheren Beamten nach den Gehaltsreformen 288
    4. Quellen-und Literaturverzeichnis 290
    5. Archivalische Quellen 290
    6. Gedruckte Quellen 291
    7. Autobiografische Schriften 295
    8. Ausgewählte Roman- und Dramenliteratur 298
    9. Sekundärliteratur 299
    10. Sachregister 313
    11. Namenregister 317
    12. Ortsamenregister 321
Web-Books
Bibliothek
Datenschutz
Impressum
Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Josephinische Mandarine