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4. Der private Alltag – das symbolische Kapital
Mittelpunkt der Familie und seine Mutter als selbstloses Wesen, das nur für die
Familie lebte. „Sie hat nicht so eigentlich ein Eigenleben geführt, alles war bei ihr
vorzugsweise ein Mitleben mit ihren Nächsten, ein sich beständiges Sorgen für
uns.“414 Auf ähnliche Weise charakterisiert Luisa Hálová ihre Mutter. „Mutter war
eine vorbildliche Hausfrau und vortreffliche Köchin, überaus arbeitsam und or-
dentlich. Sie war eine höchst sorgsame Mutter und ergebene Ehefrau, hatte einen
ausgeprägten Sinn für Sittlichkeit und alle häuslichen Tugenden, welche sie ihren
Kindern einzutrichtern trachtete.“415 Wir bemerken: „Wirtschaftlichkeit“ wurde
als eine wichtige Tugend von Beamtenfrauen entsprechend gewürdigt. Auch der
Hofbeamte Friedrich Mayr, eher aus bescheidenen bürgerlichen Wiener Verhält-
nissen stammend, hebt die gute Haushaltführung und „Ergebenheit“ seiner Mut-
ter gegenüber seinem Vater hervor: „Meine Mutter […] war dem Gatten für das
ganze Leben unbedingt ergeben, hing an ihm mit rührender immer gleicher Liebe
und Verehrung, führte ihm pflichtgetreu und mit sorgsamen Verständnis und wei-
ser Sparsamkeit den Haushalt und war eine stets zärtlich besorgte, aufopfernde
Mutter ihren Kindern unaussprechliche Güte, Sanftmut und Liebenswürdigkeit
[sic!], das Musterbild einer Gattin, Hausfrau und Mutter.“416
Die Beamtenfrauen hatten den sozialen Status ihrer Männer nicht nur zu teilen,
sondern auch zu repräsentieren. Zu den Pflichten einer guten Ehefrau eines ge-
hobenen Beamten gehörten die Einteilung des Haushaltsbudgets, des Speiseplans
sowie die Kontrolle der entsprechenden Einkäufe, sie war für die Wohnung mit
dem entsprechenden Interieur verantwortlich, hatte Gouvernanten, Hauslehrer
sowie das Dienstpersonal zu überwachen, ihr war voll und ganz die Erziehung der
Kinder zugeteilt. Bei ihren Auftritten an der Seite ihres Mannes hatte sie den Glanz
des Hauses durch Garderobe und Schmuck zu repräsentieren (oder geschickt vor-
zuspielen) und die Kultur des Hauses durch möglichst zahlreiche Opern-, Theater-
und Konzertbesuche, Gesellschaften, Mittag- und Abendessen, Bälle, Kränzchen,
literarische sowie musikalische Salons zu demonstrieren. Der Hausherr, einge-
zwängt in sein Arbeitskorsett, überließ traditionsgemäß den weiten Bereich der
Kultur seiner Frau und schien in der Familie nur peripher auf. Das änderte sich
nicht im 19. Jahrhundert.417 Berufsarbeit kam für eine bürgerliche Ehefrau bis weit
in das 20. Jahrhundert nicht infrage, selbst als die Frauen sich Zugang zu qualifi-
414 SEEGER, Mittelpunkt war der Vater, S. 201 f. und 237.
415 HÁLOVÁ. In: VOŠALÍKOVÁ, Von Amts wegen, S. 274 f.
416 FRIEDRICH FREIHERR von MA�R, Geschichte der Familie Mayr, Manus, S. 14, PA
HENCKEL-DONNERSMARCK.
417 Vgl. HEINDL, Gehorsame Rebellen, S. 309–321.
Josephinische Mandarine
Bürokratie und Beamte in Österreich
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Josephinische Mandarine
- Untertitel
- Bürokratie und Beamte in Österreich
- Autor
- Waltraud Heindl
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2013
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78950-5
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 336
- Schlagwörter
- Bürokratie, Beamte, Österreich, Österreich-Ungarn, nationale und politische Identitäten, Loyalitäten, Alltagskultur, Frauen im Staatsdiens, Image
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 11
- I. Bürokratie und Beamte – eine Spurensuche Versuch einer Einführung 17
- II. 1848 – ein Wendepunkt für die österreichische Bürokratie? 35
- III. Die Bürokratie und das neoabsolutistische Experiment 45
- 1. Diskussionen um die bürokratische Neugestaltung 45
- 2. Neue Strukturen und Arbeitsfelder. Die Liquidierung der Revolution auf dem Verwaltungsweg 47
- 3. Beamtenethos und Beamtenideal der neuen Ära 54
- 4. Ziviler Ungehorsam und staatliche Disziplinierung 60
- 5. Ausbildung, ökonomische Lage und sozialer Status vor 1867 66
- IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn? 85
- 1. Wandel der politischen Strukturen 85
- 2. Staatsdiener – Staatsbürger. Neue politische Rechte – neue politische Probleme 87
- 3. Widersprechende Loyalitäten: zwischen Kaiser und Staat – Nation/en und Partei/en 90
- 4. Parteipolitische Konfliktszenen 99
- 5. Nationale Illustrationen 106
- 6. Traditionelle Karrieremuster gegen politischen Protektionismus 121
- 7. Soziale Privilegierung und dienstliche Disziplinierung: Streiflichter zu den ökonomischen und sozialen Verhältnissen 1873–1914 131
- 8. Die ungewohnte Neue: Frauen im Staatsdienst 147
- 9. Macht und Ohnmacht. Direkte und indirekte Einflussnahme 154
- 10. Generationenkonflikte um 1900 160
- V. Das soziale Umfeld 165
- VI. Inszenierungen 235
- VII. Josephinismus und Moderne um 1900 253
- VIII. Was blieb? – Anstatt eines Schlusswortes 277