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4. Der private Alltag – das symbolische Kapital
in die Bretagne und Normandie, nach Rimini und Venedig sowie nach Südfrank-
reich und Holland die Rede.456 Allerdings gibt es die meisten Schilderungen von
Auslandsreisen von den Beamten der Staatseisenbahnen, und von denen werden
wohl die meisten von den erzählten Reisen Dienstreisen gewesen sein.457 Ein eif-
riger Reisender bereits in den 1850er- und 1860er-Jahren war der Historiker, Be-
amte im Ministerium des Äußern und (ab 1868) Direktor des Staatsarchivs Alfred
Ritter von Arneth, der teils privat, teils aus dienstlichen Gründen nach Nizza,
Paris, London und als Bildungsreisender in die Schweiz und nach Italien reiste
und ähnlich wie Goethe wichtige kulturelle Städte und Kulturdenkmäler besuch-
te.458 Auch Peter Salzgeber reiste mit Frau, wie es scheint dienstlich, schon in den
1850er-Jahren durch Ungarn und Siebenbürgen sowie durch die Steiermark, nach
Triest und Venedig sowie nach Tirol und Salzburg. Die etwas späteren Reisen über
Norditalien, den Gardasee bis nach Mailand, nach München und weiter an den
Bodensee sowie in die Schweiz dürften privater Natur gewesen sein.459 Der Hofbe-
amte Friedrich Freiherr von Mayr war von Berufs wegen zu ausgedehnten Reisen
innerhalb der Monarchie gezwungen, weil er als Hofzahlmeister die Hofreisen
begleiten musste. Diese beanspruchten zu damaligen Zeiten nicht wenig Energie.
Dazu kamen noch manchmal monatelange Reisen, etwa in den Orient oder nach
Paris. Der sesshafte Mayr war nicht gerne unterwegs.460 Wir sehen, dass die Beam-
ten mobiler waren als gemeinhin angenommen wird.
Die meisten Staatsdiener gaben es wohl bescheidener und kamen dem damals
modernen Trend der Sommerfrische auf dem Land nach. Jeder Urlaub setzte die
Bewilligung durch den Vorgesetzten voraus. Diese wurde im Allgemeinen gege-
ben, doch erfolgte sie bis zur endgültigen Urlaubsregelung mit der Dienstpragma-
tik von 1914 recht willkürlich. Auch diesbezüglich spielten die soziale und finan-
zielle Lage sowie die dienstliche Position eine dominierende Rolle: Je höher der
456 FASSE in Laun (Louny). In: VOŠALÍKOVÁ, Von Amts wegen, S. 252; MARKOVÁ-
JEŘÁBKOVÁ. In: VOŠALÍKOVÁ, Von Amts wegen, S. 350 f.; siehe auch die Reisen zitiert
von MAX FREIHERR von MA�R, Geschichte der Familie Mayr, Manus, S. 305 ff., PA HEN-
CKEL-DONNERSMARCK,
457 Dazu MARKOVÁ-JEŘÁBKOVÁ. In: VOŠALÍKOVÁ, Von Amts wegen, S. 341 und 357.
458 ALFRED RITTER von ARNETH, Aus meinem Leben, Band 2: 1850–1890 (Stuttgart 1893),
S.
45–56, 163–171 und 218–220.
459 Zur Geschichte der Familie Blühdorn, Briefe, Manus, S. 68 ff. 70 f., 75 f., 78 und 81 f., PA
BLECHNER, siehe auch die Reisebeschreibungen bei PLENER, Erinnerungen 1, S. 30, in der
frühen Periode.
460 FRIEDRICH FREIHERR von MA�R, Geschichte der Familie Mayr, Manus, S. 18 f., 26–29,
PA HENCKEL-DONNERSMARCK.
Josephinische Mandarine
Bürokratie und Beamte in Österreich
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Josephinische Mandarine
- Untertitel
- Bürokratie und Beamte in Österreich
- Autor
- Waltraud Heindl
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2013
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78950-5
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 336
- Schlagwörter
- Bürokratie, Beamte, Österreich, Österreich-Ungarn, nationale und politische Identitäten, Loyalitäten, Alltagskultur, Frauen im Staatsdiens, Image
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 11
- I. Bürokratie und Beamte – eine Spurensuche Versuch einer Einführung 17
- II. 1848 – ein Wendepunkt für die österreichische Bürokratie? 35
- III. Die Bürokratie und das neoabsolutistische Experiment 45
- 1. Diskussionen um die bürokratische Neugestaltung 45
- 2. Neue Strukturen und Arbeitsfelder. Die Liquidierung der Revolution auf dem Verwaltungsweg 47
- 3. Beamtenethos und Beamtenideal der neuen Ära 54
- 4. Ziviler Ungehorsam und staatliche Disziplinierung 60
- 5. Ausbildung, ökonomische Lage und sozialer Status vor 1867 66
- IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn? 85
- 1. Wandel der politischen Strukturen 85
- 2. Staatsdiener – Staatsbürger. Neue politische Rechte – neue politische Probleme 87
- 3. Widersprechende Loyalitäten: zwischen Kaiser und Staat – Nation/en und Partei/en 90
- 4. Parteipolitische Konfliktszenen 99
- 5. Nationale Illustrationen 106
- 6. Traditionelle Karrieremuster gegen politischen Protektionismus 121
- 7. Soziale Privilegierung und dienstliche Disziplinierung: Streiflichter zu den ökonomischen und sozialen Verhältnissen 1873–1914 131
- 8. Die ungewohnte Neue: Frauen im Staatsdienst 147
- 9. Macht und Ohnmacht. Direkte und indirekte Einflussnahme 154
- 10. Generationenkonflikte um 1900 160
- V. Das soziale Umfeld 165
- VI. Inszenierungen 235
- VII. Josephinismus und Moderne um 1900 253
- VIII. Was blieb? – Anstatt eines Schlusswortes 277