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V. Das soziale Umfeld
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Status, desto mehr Urlaub konnte sich der Beamte leisten. Daher zählte auch „das
Urlaubnehmen“ zum allgemeinen gesellschaftlichen Prestige und wurde entspre-
chend eingesetzt.
Die „Sommerfrische“ und die Absolvierung von Kuren hatten Tradition. Es ist
nachweisbar, dass Beamtenfamilien bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts in die
ehemaligen Dörfer rund um Wien wie Mödling, Maria Enzersdorf, Perchtolds-
dorf auf Sommerfrische fuhren, teilweise dort Häuser besaßen, wie die Familien
Pratobevera, Pilat, der Beamte Franz Grillparzer.461 Der Radius der Sommerfrische
sollte sich bald über die unmittelbare Umgebung Wiens hinaus beträchtlich erwei-
tern. Schon um die Jahrhundertmitte berichtet die Familie Salzgeber von ärztlich
empfohlenen Kuren in Bad Gastein und in Bad Ischl.462 In den Erzählungen von
Wiener Beamten der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ist merkwürdigerweise
(im Gegensatz zu den oben erwähnten Lebensgeschichten der tschechischen Beam-
ten) wenig vom Prestigeobjekt der Urlaubsaufenthalte die Rede. Die Orte an der
Südbahn, Baden, Semmering, Payerbach, Reichenau sowie das Salzkammergut und
Gastein, selbstverständlich die Kaisersommerresidenz Ischl, wohin sich eventuell
die Hochbürokratie verfügte, erlebten in dieser Hochkonjunktur der Sommerfri-
sche bekanntermaßen eine besondere Blüte, die von der Geschichtswissenschaft in
den letzten Jahren erforscht wurde. Es ist von den Aufenthalten vieler Künstler, den
Leistungen der Architekten und Unternehmer, der Sommerfrische-Gesellschaft im
Allgemeinen die Rede, wobei allerdings kaum Beamte vorkommen.463 Das heißt
nicht, dass diese nicht an den Sommeraufenthalten teilnahmen, es bedeutet, dass
sie einerseits für die Tourismusforschung nicht interessant genug waren, um sie zum
Forschungsgegenstand zu machen, es drückt aber auch andererseits aus, dass den
meisten Staatsdienern die erwähnten Orte (im Salzkammergut und in der Semme-
ring-Gegend) zu exklusiv und teuer waren, um dort den Urlaub zu verbringen. Der
hohe Justizbeamte Adolph Pratobevera Freiherr von Wiesborn (1806–1875) fuhr in
den späten 1860er-, frühen 1870er-Jahren nach Graz, in steirische Orte sowie nach
461 HEINDL, Gehorsame Rebellen, S. 270 f.
462 Wilhelmina Salzgeber an ihre Tochter Minna Russegger, Gastein, 27. August 1851, Ischl, 9. Juli
1855, S. 70 und 81, PA BLECHNER, Zur Geschichte der Familie Blühdorn, Briefe, Manus.
463 WOLFGANG KOS (Hg.), Die Eroberung der Landschaft. Semmering* Rax* Schneeberg. (Ka-
talog zur Niederösterreichischen Landesausstellung Schloss Gloggnitz 1992, Wien 1992); WIL-
LIBALD ROSNER (Hg.), Sommerfrische. Aspekte eines Phänomens. Die Vorträge des Nieder-
österreichischen Instituts für Landeskunde Reichenau an der Rax, 5.–8. Juli 1993 (= Studien und
Forschungen aus dem Niederösterreichischen Institut für Landeskunde 20, Wien 1994).
Josephinische Mandarine
Bürokratie und Beamte in Österreich
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Josephinische Mandarine
- Untertitel
- Bürokratie und Beamte in Österreich
- Autor
- Waltraud Heindl
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2013
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78950-5
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 336
- Schlagwörter
- Bürokratie, Beamte, Österreich, Österreich-Ungarn, nationale und politische Identitäten, Loyalitäten, Alltagskultur, Frauen im Staatsdiens, Image
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 11
- I. Bürokratie und Beamte – eine Spurensuche Versuch einer Einführung 17
- II. 1848 – ein Wendepunkt für die österreichische Bürokratie? 35
- III. Die Bürokratie und das neoabsolutistische Experiment 45
- 1. Diskussionen um die bürokratische Neugestaltung 45
- 2. Neue Strukturen und Arbeitsfelder. Die Liquidierung der Revolution auf dem Verwaltungsweg 47
- 3. Beamtenethos und Beamtenideal der neuen Ära 54
- 4. Ziviler Ungehorsam und staatliche Disziplinierung 60
- 5. Ausbildung, ökonomische Lage und sozialer Status vor 1867 66
- IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn? 85
- 1. Wandel der politischen Strukturen 85
- 2. Staatsdiener – Staatsbürger. Neue politische Rechte – neue politische Probleme 87
- 3. Widersprechende Loyalitäten: zwischen Kaiser und Staat – Nation/en und Partei/en 90
- 4. Parteipolitische Konfliktszenen 99
- 5. Nationale Illustrationen 106
- 6. Traditionelle Karrieremuster gegen politischen Protektionismus 121
- 7. Soziale Privilegierung und dienstliche Disziplinierung: Streiflichter zu den ökonomischen und sozialen Verhältnissen 1873–1914 131
- 8. Die ungewohnte Neue: Frauen im Staatsdienst 147
- 9. Macht und Ohnmacht. Direkte und indirekte Einflussnahme 154
- 10. Generationenkonflikte um 1900 160
- V. Das soziale Umfeld 165
- VI. Inszenierungen 235
- VII. Josephinismus und Moderne um 1900 253
- VIII. Was blieb? – Anstatt eines Schlusswortes 277