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Josephinische Mandarine - Bürokratie und Beamte in Österreich
Seite - 237 -
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1. Literarische Inszenierungen – Fremdbilder 237 wichtig geworden. Die österreichische Literatur war im Kern ein Produkt des Bü- rokratisierungsprozesses. Die meisten Autoren des josephinischen Jahrzehnts und der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts waren Beamte gewesen,472 für die „das Amt“ den notwendigen Brotberuf bildete, die Berufung aber Literatur und Poesie wa- ren. Die „Affinität zwischen Beamtentum und Literatur“ hat also eine lange Tradi- tion, die auch in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts fortgesetzt wurde. Hans Perthaler, Friedrich von Mayr, Emil Steinbach (und wahrscheinlich noch viele andere) schrieben, wie sie selbst bekannten, Gedichte.473 Allerdings hatte sich die Daseinsform dieser Staatsdiener umgekehrt: An erster Stelle stand nun der Brot-, nämlich der Beamtenberuf, die Poesie bildete das private Vergnügen. Daher ist es nicht nur legitim, sondern geradezu erforderlich, dass auch in his- torischen Studien die einschlägige Literatur als Quelle zum Zug kommt. In die- sem Zusammenhang wird freilich immer wieder die zweifelnde Frage erhoben, wieweit die „schöne Literatur“ die Wirklichkeit der Beamtenwelt tatsächlich wie- dergibt. Die oben genannten Literaturwissenschaftler, Magris, Schmidt-Dengler, Zelger, sind sich einig, dass die Darstellung der Bürokratie in der Literatur keine Verklärung oder Trübung des Forschungssujets darstellt, sondern dass die Erzäh- lungen, Novellen, Dramen, Romane – jenseits von allen theoretischen Überlegun- gen der Sozial-, Politik- und Geschichtswissenschaftler – sehr wohl die Struktur der alltäglichen Praxis in Amt und Privatleben beschreiben, dass somit die dichte- rischen Dokumentationen eine Bereicherung der Bürokratieforschung darstellen. Die Politikwissenschaftlerin Eva Kreisky meint in diesem Zusammenhang mit Recht, dass die Literatur die gesamte „bürokratische Kultur“ offenbare, „den ge- samten Lebenszusammenhang, die Lebensweise und Arbeitsformen der Beamten, alles Emotionale und Sinnliche, Unvorhergesehene zwischen all den einengenden formalen Abläufen und Strukturen“.474 Dichter und Schriftsteller wollen gelesen werden, ihre Geschichten sollen das Publikum interessieren, sie werden daher möglichst dramatische Inszenierungen wählen, die manchmal verglichen mit der Realität übertrieben erscheinen mögen. Das mindert nicht den Wert der Literatur als Quelle für Historiker/innen. Im Allgemeinen können wir davon ausgehen, dass Literaten sensible Beob- achter des Lebens sind. Für gelernte Historikerinnen und Historiker ist es eine 472 Siehe HEINDL, Gehorsame Rebellen, im Besonderen Kapitel: Staatscomedianten, S. 326–331. 473 Siehe auch Kapitel „Andersgläubige, Sozialisten und Künstler“. 474 EVA KREISK�, Bürokratie und Politik. Beiträge zur Verwaltungskultur in Österreich, Band 1.2 (Wien 1986), S. 613; zit. auch von ZELGER, Das ist alles viel komplizierter, S. 14.
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Josephinische Mandarine Bürokratie und Beamte in Österreich
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Josephinische Mandarine
Untertitel
Bürokratie und Beamte in Österreich
Autor
Waltraud Heindl
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2013
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78950-5
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
336
Schlagwörter
Bürokratie, Beamte, Österreich, Österreich-Ungarn, nationale und politische Identitäten, Loyalitäten, Alltagskultur, Frauen im Staatsdiens, Image
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 11
  2. I. Bürokratie und Beamte – eine Spurensuche Versuch einer Einführung 17
    1. 1. Theoretische Überlegungen 17
    2. 2. Die zwei Realitäten der Bürokratie 24
    3. 3. Definitionen, Details und Daten 26
  3. II. 1848 – ein Wendepunkt für die österreichische Bürokratie? 35
  4. III. Die Bürokratie und das neoabsolutistische Experiment 45
    1. 1. Diskussionen um die bürokratische Neugestaltung 45
    2. 2. Neue Strukturen und Arbeitsfelder. Die Liquidierung der Revolution auf dem Verwaltungsweg 47
    3. 3. Beamtenethos und Beamtenideal der neuen Ära 54
    4. 4. Ziviler Ungehorsam und staatliche Disziplinierung 60
    5. 5. Ausbildung, ökonomische Lage und sozialer Status vor 1867 66
  5. IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn? 85
    1. 1. Wandel der politischen Strukturen 85
    2. 2. Staatsdiener – Staatsbürger. Neue politische Rechte – neue politische Probleme 87
    3. 3. Widersprechende Loyalitäten: zwischen Kaiser und Staat – Nation/en und Partei/en 90
    4. 4. Parteipolitische Konfliktszenen 99
    5. 5. Nationale Illustrationen 106
    6. 6. Traditionelle Karrieremuster gegen politischen Protektionismus 121
    7. 7. Soziale Privilegierung und dienstliche Disziplinierung: Streiflichter zu den ökonomischen und sozialen Verhältnissen 1873–1914 131
    8. 8. Die ungewohnte Neue: Frauen im Staatsdienst 147
    9. 9. Macht und Ohnmacht. Direkte und indirekte Einflussnahme 154
    10. 10. Generationenkonflikte um 1900 160
  6. V. Das soziale Umfeld 165
    1. 1. Beamte und bürgerliche Gesellschaft 165
    2. 2. Der Alltag im bürokratischen Leben oder die kleinen großen Unterschiede 168
      1. Soziale Distinktionen: Ausbildung, Karriere und Rekrutierung 170
      2. Äußere Zeichen – Für und Wider die Beamtenuniform 177
      3. Umgangsformen im Amt 180
      4. Arbeitszeit und Amtsräume 184
      5. Amtsroutine, Akten und bürokratische Skurrilitäten 187
    3. 3. Verbindende Gemeinsamkeiten – Amtsstil, Kanzleisprache und die Architektur der Amtsgebäude 190
    4. 4. Der private Alltag – das symbolische Kapital 198
      1. Amtsroutine im Privatleben? 198
      2. Bürgerlicher Lebensstandard?
      3. Die Grundbedürfnisse Essen und Wohnen 200
      4. Die Beamtenfamilie: Intimität und Öffentlichkeit 209
      5. Die „gut-bürgerliche“ Gesellschaft – Private Netzwerke 221
      6. Freizeitgestaltung als Netzwerkbildung 229
  7. VI. Inszenierungen 235
    1. 1. Literarische Inszenierungen – Fremdbilder 235
    2. 2. Selbstinszenierungen – Selbstzeugnisse 244
  8. VII. Josephinismus und Moderne um 1900 253
    1. 1. Typisch „josephinische“ Beamteneliten? 253
    2. 2. „Andersgläubige“, Sozialdemokraten und Künstler – ungewöhnliche josephinische Beamte? 260
    3. 3. Ein anderer ungewöhnlicher Beamter – Dr. Ludwig Ritter von Janikowski 267
  9. VIII. Was blieb? – Anstatt eines Schlusswortes 277
    1. Anhang 285
    2. Bildnachweis 285
    3. Abkürzungsverzeichnis 286
      1. I. Die Verwaltung und Organisation des österreichischen Kaiserstaates 287
      2. II. Entwicklung der Gehälter der höheren Beamten nach den Gehaltsreformen 288
    4. Quellen-und Literaturverzeichnis 290
    5. Archivalische Quellen 290
    6. Gedruckte Quellen 291
    7. Autobiografische Schriften 295
    8. Ausgewählte Roman- und Dramenliteratur 298
    9. Sekundärliteratur 299
    10. Sachregister 313
    11. Namenregister 317
    12. Ortsamenregister 321
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