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Josephinische Mandarine - Bürokratie und Beamte in Österreich
Seite - 245 -
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2. Selbstinszenierungen – Selbstzeugnisse 245 wussten, dass sie von diesen Tugenden eventuell weit entfernt waren. Selbstzeug- nisse tragen so entscheid zum Entstehen einer kollektiven Erinnerungskultur von Beamten und über Beamte bei. Die Beamten werden im Allgemeinen nicht müde, die von ihnen gewünschte soziale Zugehörigkeit zur bürgerlichen Schicht mit allen Gewohnheiten, die von dieser als „comme il faut“ betrachtet wurden, zu demonstrieren. Eindrucksvoll und geradezu klassisch (im Sinn Bourdieus, der genau diese Gruppe von Menschen bei seinen Untersuchungen im Visier hatte) wird damit, wie bereits erwähnt, ihr symbolisches Kapital präsentiert. In vielen Fällen mag diese Darstellung dem Beweis der „gutbürgerlichen“ Lebensführung und der entsprechenden Weltanschauung gedient haben, möglicherweise um die nicht ganz so „gutbürgerliche“ Herkunft und das entsprechende Kapital, das Be- amten (in nicht ganz hohen Rängen) für gewöhnlich fehlte, zu ersetzen. Selbstverständlich ist zu kalkulieren, für welche Zielgruppe „inszeniert“ wurde, ob die privaten Aufzeichnungen für persönliche Zwecke, für die Familie oder für eine Publikation geschrieben wurden. In diesem Zusammenhang sei vermerkt, dass die Lebensdarstellungen der Beamten im Allgemeinen ausführlich auf Jugend und Studienzeit, auf Lebensführung, Geschmack, Gewohnheiten, Freundeskreise, Besuchsrituale eingehen. Das Bild des idealen Beamten, das in den Selbstzeugnissen plastisch hervor- tritt, musste notgedrungen mit dem Beamtenethos übereinstimmen, daher gibt es in den Selbstbeschreibungen keine nachlässigen und faulen Beamten. In den Be- schreibungen der Kollegen werden freilich weniger glanzvolle, sondern auch viele graue Existenzen in den Ämtern deutlich, achtlose und säumige, unbegabte, nur zum Schein aktive Bürokraten, die sich markant vom glanzvollen Selbstbild abhe- ben. Trotzdem sind sie für diese Untersuchung wichtig: Die Selbstbilder, die sich die Staatsdiener in ihren Erinnerungen zurechtzimmerten, sind vielleicht wenig ausschlaggebend für die Konstruktion der Realität, dafür umso bedeutungsvoller, um die „basic personal characteristics“, um mit Norbert Elias zu sprechen,497 den „Geist“, die „Mentalität“ der hohen Bürokratie herauszufinden. Es gab den Aussagen der Beamten zufolge eine stillschweigende Übereinkunft in Beamtenkreisen, welche Eigenschaften „der ideale Beamte“ besitzen sollte. Die Frage ist, ob im Laufe der Zeit neue Qualitäten in den Vorstellungen der Staats- diener hinzukamen – und wenn ja, welche. Im Jahr 1848 beschreibt Wilhelmina Salzgeber in einem Brief an ihre Toch- ter Minna Russegger alle Vorzüge und Kenntnisse ihres Mannes, die ihn ihrer 497 ELIAS, Die höfische Gesellschaft, S. 172.
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Josephinische Mandarine Bürokratie und Beamte in Österreich
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Josephinische Mandarine
Untertitel
Bürokratie und Beamte in Österreich
Autor
Waltraud Heindl
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2013
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78950-5
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
336
Schlagwörter
Bürokratie, Beamte, Österreich, Österreich-Ungarn, nationale und politische Identitäten, Loyalitäten, Alltagskultur, Frauen im Staatsdiens, Image
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 11
  2. I. Bürokratie und Beamte – eine Spurensuche Versuch einer Einführung 17
    1. 1. Theoretische Überlegungen 17
    2. 2. Die zwei Realitäten der Bürokratie 24
    3. 3. Definitionen, Details und Daten 26
  3. II. 1848 – ein Wendepunkt für die österreichische Bürokratie? 35
  4. III. Die Bürokratie und das neoabsolutistische Experiment 45
    1. 1. Diskussionen um die bürokratische Neugestaltung 45
    2. 2. Neue Strukturen und Arbeitsfelder. Die Liquidierung der Revolution auf dem Verwaltungsweg 47
    3. 3. Beamtenethos und Beamtenideal der neuen Ära 54
    4. 4. Ziviler Ungehorsam und staatliche Disziplinierung 60
    5. 5. Ausbildung, ökonomische Lage und sozialer Status vor 1867 66
  5. IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn? 85
    1. 1. Wandel der politischen Strukturen 85
    2. 2. Staatsdiener – Staatsbürger. Neue politische Rechte – neue politische Probleme 87
    3. 3. Widersprechende Loyalitäten: zwischen Kaiser und Staat – Nation/en und Partei/en 90
    4. 4. Parteipolitische Konfliktszenen 99
    5. 5. Nationale Illustrationen 106
    6. 6. Traditionelle Karrieremuster gegen politischen Protektionismus 121
    7. 7. Soziale Privilegierung und dienstliche Disziplinierung: Streiflichter zu den ökonomischen und sozialen Verhältnissen 1873–1914 131
    8. 8. Die ungewohnte Neue: Frauen im Staatsdienst 147
    9. 9. Macht und Ohnmacht. Direkte und indirekte Einflussnahme 154
    10. 10. Generationenkonflikte um 1900 160
  6. V. Das soziale Umfeld 165
    1. 1. Beamte und bürgerliche Gesellschaft 165
    2. 2. Der Alltag im bürokratischen Leben oder die kleinen großen Unterschiede 168
      1. Soziale Distinktionen: Ausbildung, Karriere und Rekrutierung 170
      2. Äußere Zeichen – Für und Wider die Beamtenuniform 177
      3. Umgangsformen im Amt 180
      4. Arbeitszeit und Amtsräume 184
      5. Amtsroutine, Akten und bürokratische Skurrilitäten 187
    3. 3. Verbindende Gemeinsamkeiten – Amtsstil, Kanzleisprache und die Architektur der Amtsgebäude 190
    4. 4. Der private Alltag – das symbolische Kapital 198
      1. Amtsroutine im Privatleben? 198
      2. Bürgerlicher Lebensstandard?
      3. Die Grundbedürfnisse Essen und Wohnen 200
      4. Die Beamtenfamilie: Intimität und Öffentlichkeit 209
      5. Die „gut-bürgerliche“ Gesellschaft – Private Netzwerke 221
      6. Freizeitgestaltung als Netzwerkbildung 229
  7. VI. Inszenierungen 235
    1. 1. Literarische Inszenierungen – Fremdbilder 235
    2. 2. Selbstinszenierungen – Selbstzeugnisse 244
  8. VII. Josephinismus und Moderne um 1900 253
    1. 1. Typisch „josephinische“ Beamteneliten? 253
    2. 2. „Andersgläubige“, Sozialdemokraten und Künstler – ungewöhnliche josephinische Beamte? 260
    3. 3. Ein anderer ungewöhnlicher Beamter – Dr. Ludwig Ritter von Janikowski 267
  9. VIII. Was blieb? – Anstatt eines Schlusswortes 277
    1. Anhang 285
    2. Bildnachweis 285
    3. Abkürzungsverzeichnis 286
      1. I. Die Verwaltung und Organisation des österreichischen Kaiserstaates 287
      2. II. Entwicklung der Gehälter der höheren Beamten nach den Gehaltsreformen 288
    4. Quellen-und Literaturverzeichnis 290
    5. Archivalische Quellen 290
    6. Gedruckte Quellen 291
    7. Autobiografische Schriften 295
    8. Ausgewählte Roman- und Dramenliteratur 298
    9. Sekundärliteratur 299
    10. Sachregister 313
    11. Namenregister 317
    12. Ortsamenregister 321
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