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Josephinische Mandarine - Bürokratie und Beamte in Österreich
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VI. Inszenierungen 250 Im Großen und Ganzen bestätigen die Beamten-Erinnerungen, dass die Schriftsteller die Tatsachen und Weltsichten des beamteten Lebens nicht erfan- den, sondern nacherzählten. Der Unterschied lag, wie bereits erwähnt, in der In- terpretation. Gerade die Handlungen, Lebensgewohnheiten und Weltsichten der Beamten, die von den Autoren der Belletristik als unverständlich, lebensfremd oder komisch gezeichnet werden und die von der Außenwelt eher negativ wahrge- nommen wurden, waren für die Beamten ernste Selbstverständlichkeiten, die gar nicht anders sein konnten: Das erwähnte Denken in Rängen und Hierarchien, die umständliche Erledigung einfacher Geschäfte, die oft schwerfällig erschei- nenden Lebensgewohnheiten, das sture Festhalten an Traditionen, die unflexible Vorgangsweise, die vom „Papier“, von den Gesetzen, Verordnungen und Akten, diktiert wurde – Bilder, die sich bis heute in den Köpfen der Menschen festgesetzt haben. Was für Diskrepanzen zwischen Fremd- und Selbstbild! Für die Beamten waren diese Eigenschaften im Gegenteil Tugenden, die sie kraft ihres Amtes ent- wickeln mussten, das andere nicht besaßen. Aus den vielen Erinnerungen und Aussagen tritt uns das Psychogramm eines im Vordergrund bescheiden wirkenden, in fast allen Rängen aber vorsichtig im Hin- tergrund agierenden, von seinen Qualitäten überzeugten und daher nach gebüh- rendem Einfluss heischenden Menschen entgegen. „Der österreichische Beamte“ höheren Ranges (sofern wir verallgemeinern dürfen) schätzte sich selbst in Aus- übung seines Dienstes, den er (nicht grundlos) als etwas mühsam betrachtete, als gewissenhaft und klug ein, er hielt vor allem viel von seiner Kreativität, für die vielfältigen Probleme Lösungen zu finden, und war dabei auf Ausgleich (laut Fried- länder „ein großer Teil der österreichischen Staatskunst“),511 das heißt auf die un- aufdringliche Herstellung von Ordnung bedacht (und manchmal von Selbstqualen geplagt, wenn ihm dies nicht gelang). Er betonte gerne seine umfassende huma- nistische (bürgerliche) Bildung und Intelligenz und noch mehr seine Toleranz und Gerechtigkeit im Amt und in der Gesellschaft. Er ist überzeugt, dass ihm Einfluss, ja Macht im Amt und im Staat zustehen, obwohl er (oft) bescheiden das Gegenteil betont. In der Regel versuchte er daher (offen oder verdeckt) mit allerlei Mitteln die Karriereleiter emporzuklimmen. Es wäre ihm nicht in den Sinn gekommen, sich selbst, so wie manche Schriftsteller ihn sahen, als unfähig für andere Berufe ein- zustufen.512 Er hielt sich im Allgemeinen als kommunikationsfähigen (wie er nicht in der Literatur gezeichnet wird), wenn auch nicht konfliktfähigen (wie er in der 511 FRIEDLÄNDER, Letzter Glanz der Märchenstadt, S. 75. 512 Siehe Kapitel „Literarische Inszenierungen“.
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Josephinische Mandarine Bürokratie und Beamte in Österreich
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Josephinische Mandarine
Untertitel
Bürokratie und Beamte in Österreich
Autor
Waltraud Heindl
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2013
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78950-5
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
336
Schlagwörter
Bürokratie, Beamte, Österreich, Österreich-Ungarn, nationale und politische Identitäten, Loyalitäten, Alltagskultur, Frauen im Staatsdiens, Image
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 11
  2. I. Bürokratie und Beamte – eine Spurensuche Versuch einer Einführung 17
    1. 1. Theoretische Überlegungen 17
    2. 2. Die zwei Realitäten der Bürokratie 24
    3. 3. Definitionen, Details und Daten 26
  3. II. 1848 – ein Wendepunkt für die österreichische Bürokratie? 35
  4. III. Die Bürokratie und das neoabsolutistische Experiment 45
    1. 1. Diskussionen um die bürokratische Neugestaltung 45
    2. 2. Neue Strukturen und Arbeitsfelder. Die Liquidierung der Revolution auf dem Verwaltungsweg 47
    3. 3. Beamtenethos und Beamtenideal der neuen Ära 54
    4. 4. Ziviler Ungehorsam und staatliche Disziplinierung 60
    5. 5. Ausbildung, ökonomische Lage und sozialer Status vor 1867 66
  5. IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn? 85
    1. 1. Wandel der politischen Strukturen 85
    2. 2. Staatsdiener – Staatsbürger. Neue politische Rechte – neue politische Probleme 87
    3. 3. Widersprechende Loyalitäten: zwischen Kaiser und Staat – Nation/en und Partei/en 90
    4. 4. Parteipolitische Konfliktszenen 99
    5. 5. Nationale Illustrationen 106
    6. 6. Traditionelle Karrieremuster gegen politischen Protektionismus 121
    7. 7. Soziale Privilegierung und dienstliche Disziplinierung: Streiflichter zu den ökonomischen und sozialen Verhältnissen 1873–1914 131
    8. 8. Die ungewohnte Neue: Frauen im Staatsdienst 147
    9. 9. Macht und Ohnmacht. Direkte und indirekte Einflussnahme 154
    10. 10. Generationenkonflikte um 1900 160
  6. V. Das soziale Umfeld 165
    1. 1. Beamte und bürgerliche Gesellschaft 165
    2. 2. Der Alltag im bürokratischen Leben oder die kleinen großen Unterschiede 168
      1. Soziale Distinktionen: Ausbildung, Karriere und Rekrutierung 170
      2. Äußere Zeichen – Für und Wider die Beamtenuniform 177
      3. Umgangsformen im Amt 180
      4. Arbeitszeit und Amtsräume 184
      5. Amtsroutine, Akten und bürokratische Skurrilitäten 187
    3. 3. Verbindende Gemeinsamkeiten – Amtsstil, Kanzleisprache und die Architektur der Amtsgebäude 190
    4. 4. Der private Alltag – das symbolische Kapital 198
      1. Amtsroutine im Privatleben? 198
      2. Bürgerlicher Lebensstandard?
      3. Die Grundbedürfnisse Essen und Wohnen 200
      4. Die Beamtenfamilie: Intimität und Öffentlichkeit 209
      5. Die „gut-bürgerliche“ Gesellschaft – Private Netzwerke 221
      6. Freizeitgestaltung als Netzwerkbildung 229
  7. VI. Inszenierungen 235
    1. 1. Literarische Inszenierungen – Fremdbilder 235
    2. 2. Selbstinszenierungen – Selbstzeugnisse 244
  8. VII. Josephinismus und Moderne um 1900 253
    1. 1. Typisch „josephinische“ Beamteneliten? 253
    2. 2. „Andersgläubige“, Sozialdemokraten und Künstler – ungewöhnliche josephinische Beamte? 260
    3. 3. Ein anderer ungewöhnlicher Beamter – Dr. Ludwig Ritter von Janikowski 267
  9. VIII. Was blieb? – Anstatt eines Schlusswortes 277
    1. Anhang 285
    2. Bildnachweis 285
    3. Abkürzungsverzeichnis 286
      1. I. Die Verwaltung und Organisation des österreichischen Kaiserstaates 287
      2. II. Entwicklung der Gehälter der höheren Beamten nach den Gehaltsreformen 288
    4. Quellen-und Literaturverzeichnis 290
    5. Archivalische Quellen 290
    6. Gedruckte Quellen 291
    7. Autobiografische Schriften 295
    8. Ausgewählte Roman- und Dramenliteratur 298
    9. Sekundärliteratur 299
    10. Sachregister 313
    11. Namenregister 317
    12. Ortsamenregister 321
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