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Josephinische Mandarine - Bürokratie und Beamte in Österreich
Seite - 254 -
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VII. Josephinismus und Moderne um 1900 254 zugunsten der bürokratischen Rationalisierung entschieden, das heißt, diese Geg- nerschaft war weniger brisant geworden, doch die Kontroversen um Staatspatrio- tismus und Sprachnationalismus, kritischer öffentlicher Meinung und autoritärer Repression standen mehr denn je im Brennpunkt des politischen Lebens, und die Rolle der Bürokratie in diesem Geflecht hatte sich (wie bereits angesprochen) komplizierter gestaltet.521 Leslie Bodi ist daher zuzustimmen: Die Problematik hatte sich im Prinzip nicht geändert und auch „josephinisches Beamtentum“ war im Staats- und Gesellschaftsleben der ausgehenden Habsburgermonarchie ein nicht wegzudenkender Begriff mit (vorwiegend) positiv besetzter Qualifikation. Franz Joseph I. war allerdings weit entfernt von einem Joseph II., der bewusst an der Ausformung eines guten Beamtentums gearbeitet hatte. Jedoch – obwohl er sich gerne in der Offiziersuniform zeigte, hatte er eine Beamtenseele. Er be- kannte sich indirekt dazu, als er in der Volkszählung 1910 als Beruf „selbständiger Beamter“ angab.522 Für den Regenten eines Riesenreiches eine merkwürdige Be- rufsangabe! Er war sicherlich, wie bereits angedeutet, bis zu seinem Lebensende der Auffassung, dass die Staatsdiener weniger Diener des Staates, sondern in erster Linie kaiserliche, also „seine“ Beamten zu sein hatten. Die Schwierigkeiten, die so mancher Angehörige der Bürokratie mit dieser Rolle hatte,523 ignorierte er. Er erwirkte offenbar wegen seiner hohen bürokratischen Sachkenntnisse den Re spekt seiner Beamten. „Der Einfluss, den er [der Kaiser] auf seine Beamten ausübt, ist ein unausgesprochener“, konstatiert Friedländer. „Er versteht es, durch seine ruhige, überlegene Majestät die Leute zu bändigen und einzudämmen.“524 Und Robert Ehrhart, der es wissen musste, war er doch dem Ministerratspräsidium zugeteilt und Sektionschef, stellte im persönlichen Verkehr einen überstarken Ein- fluss des Kaisers auf die Ministerpräsidenten (und Minister) fest: „es war nicht die Angst vor einer ungnädigen Reaktion“, wie er meinte, „es war die vor der unglaublichen Sachkenntnis des Kaisers Franz Joseph“.525 Für sich und sein Haus hatte Franz Joseph freilich anders entschieden. An der Gestaltung und der Funktion des Hofbeamtentums ist abzulesen, wie sich Kaiser und Dynastie eine ideale Bürokratie vorgestellt hatten. Das Hofbeamtentum war geradezu ein Relikt aus dem barocken Absolutismus. Nehmen wir wieder An- 521 Siehe vor allem die Kapitel „Staatsdiener – Staatsbürger“, „Widersprechende Loyalitäten“, „Par- teipolitische Konflikte“ und „Nationale Illustrationen“. 522 Zit. nach GOLDINGER, Die Wiener Hochbürokratie, S. 313. 523 Siehe Kapitel „Widersprechende Loyalitäten“. 524 FRIEDLÄNDER, Letzter Glanz der Märchenstadt, S. 76. 525 EHRHART, Im Dienste, S. 261.
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Josephinische Mandarine Bürokratie und Beamte in Österreich
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Josephinische Mandarine
Untertitel
Bürokratie und Beamte in Österreich
Autor
Waltraud Heindl
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2013
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78950-5
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
336
Schlagwörter
Bürokratie, Beamte, Österreich, Österreich-Ungarn, nationale und politische Identitäten, Loyalitäten, Alltagskultur, Frauen im Staatsdiens, Image
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 11
  2. I. Bürokratie und Beamte – eine Spurensuche Versuch einer Einführung 17
    1. 1. Theoretische Überlegungen 17
    2. 2. Die zwei Realitäten der Bürokratie 24
    3. 3. Definitionen, Details und Daten 26
  3. II. 1848 – ein Wendepunkt für die österreichische Bürokratie? 35
  4. III. Die Bürokratie und das neoabsolutistische Experiment 45
    1. 1. Diskussionen um die bürokratische Neugestaltung 45
    2. 2. Neue Strukturen und Arbeitsfelder. Die Liquidierung der Revolution auf dem Verwaltungsweg 47
    3. 3. Beamtenethos und Beamtenideal der neuen Ära 54
    4. 4. Ziviler Ungehorsam und staatliche Disziplinierung 60
    5. 5. Ausbildung, ökonomische Lage und sozialer Status vor 1867 66
  5. IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn? 85
    1. 1. Wandel der politischen Strukturen 85
    2. 2. Staatsdiener – Staatsbürger. Neue politische Rechte – neue politische Probleme 87
    3. 3. Widersprechende Loyalitäten: zwischen Kaiser und Staat – Nation/en und Partei/en 90
    4. 4. Parteipolitische Konfliktszenen 99
    5. 5. Nationale Illustrationen 106
    6. 6. Traditionelle Karrieremuster gegen politischen Protektionismus 121
    7. 7. Soziale Privilegierung und dienstliche Disziplinierung: Streiflichter zu den ökonomischen und sozialen Verhältnissen 1873–1914 131
    8. 8. Die ungewohnte Neue: Frauen im Staatsdienst 147
    9. 9. Macht und Ohnmacht. Direkte und indirekte Einflussnahme 154
    10. 10. Generationenkonflikte um 1900 160
  6. V. Das soziale Umfeld 165
    1. 1. Beamte und bürgerliche Gesellschaft 165
    2. 2. Der Alltag im bürokratischen Leben oder die kleinen großen Unterschiede 168
      1. Soziale Distinktionen: Ausbildung, Karriere und Rekrutierung 170
      2. Äußere Zeichen – Für und Wider die Beamtenuniform 177
      3. Umgangsformen im Amt 180
      4. Arbeitszeit und Amtsräume 184
      5. Amtsroutine, Akten und bürokratische Skurrilitäten 187
    3. 3. Verbindende Gemeinsamkeiten – Amtsstil, Kanzleisprache und die Architektur der Amtsgebäude 190
    4. 4. Der private Alltag – das symbolische Kapital 198
      1. Amtsroutine im Privatleben? 198
      2. Bürgerlicher Lebensstandard?
      3. Die Grundbedürfnisse Essen und Wohnen 200
      4. Die Beamtenfamilie: Intimität und Öffentlichkeit 209
      5. Die „gut-bürgerliche“ Gesellschaft – Private Netzwerke 221
      6. Freizeitgestaltung als Netzwerkbildung 229
  7. VI. Inszenierungen 235
    1. 1. Literarische Inszenierungen – Fremdbilder 235
    2. 2. Selbstinszenierungen – Selbstzeugnisse 244
  8. VII. Josephinismus und Moderne um 1900 253
    1. 1. Typisch „josephinische“ Beamteneliten? 253
    2. 2. „Andersgläubige“, Sozialdemokraten und Künstler – ungewöhnliche josephinische Beamte? 260
    3. 3. Ein anderer ungewöhnlicher Beamter – Dr. Ludwig Ritter von Janikowski 267
  9. VIII. Was blieb? – Anstatt eines Schlusswortes 277
    1. Anhang 285
    2. Bildnachweis 285
    3. Abkürzungsverzeichnis 286
      1. I. Die Verwaltung und Organisation des österreichischen Kaiserstaates 287
      2. II. Entwicklung der Gehälter der höheren Beamten nach den Gehaltsreformen 288
    4. Quellen-und Literaturverzeichnis 290
    5. Archivalische Quellen 290
    6. Gedruckte Quellen 291
    7. Autobiografische Schriften 295
    8. Ausgewählte Roman- und Dramenliteratur 298
    9. Sekundärliteratur 299
    10. Sachregister 313
    11. Namenregister 317
    12. Ortsamenregister 321
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