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Josephinische Mandarine - Bürokratie und Beamte in Österreich
Seite - 279 -
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279 VIII. Was blieb? – Anstatt eines Schlusswortes nicht zu ernsthafte Auslegung von Normen, erwecken den Eindruck von ober- flächlichen und „schlampigen“ Behandlungen der Beamtenaufgaben.607 Mit der „zielorientierten Rationalität“, die Max Weber als Richtschnur zur Lö- sung bürokratischer Aufgaben vorgab, waren solche Handlungen der österreichi- schen Bürokratie kaum in Einklang zu bringen. Nach Webers Kriterien werden wir so manche Ansätze der österreichischen Beamten zur Problemlösung als im besten Fall unkonventionell einzustufen haben. Für Weber galt allerdings die Er- kennung des Ziels als gesicherte Voraussetzung.608 Anders sieht es aus, wenn wir die Maßstäbe von Niklas Luhmann zur Richtschnur nehmen. Luhmann entwi- ckelte angesichts der komplexen Probleme im späten 20. Jahrhundert das Kri- terium der „Systemrationalität“ zur Beurteilung von Organisationen. Luhmann übt Kritik an Max Webers Bild der mühelos und schematisch funktionierenden Bürokratie und meint, dass die Erkennung von Problemen, die Weber als natür- liche Voraussetzung für die Erfüllung bürokratischer Pflichten ansieht, in der mo- dernen Welt, die durch eine außerordentliche Komplexität gekennzeichnet sei, nicht mehr angenommen werden könne. Luhmann hält daher die Erhaltung von Systemen für die wesentlichste Aufgabe der Bürokratie.609 Der Gradmesser der „Systemrationalität“ scheint besser geeignet, um die Bürokratie in der Spätzeit der Monarchie beurteilen zu können. Die komplexe moderne Welt des 20. Jahr- hunderts, von der Luhmann spricht, war in der österreichischen Monarchie ab dem späten 19. Jahrhundert (wenn nicht schon vorher) vorweggenommen. Sie wurde von den Beamten dieser Zeit intensiv erlebt, die zunehmend mit immer dynamischer werdenden politischen, nationalen, sozialen und kulturellen Prozes- sen konfrontiert waren sowie mit der wachsenden undurchschaubaren Mannig- faltigkeit von Konflikten. Wie bereits in einem anderen Zusammenhang gesagt,610 hatten die Bürokraten, und vor allem ihre Eliten, den Staat gegen die Ansprüche der Nationalitäten – oder (manchmal) umgekehrt – die (eigene) Nation gegen den Staat zu verteidigen, gegen unvernünftige Anmaßungen von Politikern je- 607 Siehe auch Kapitel „Amtsroutine, Akten und bürokratische Skurrilitäten“; FRIEDLÄNDER, Letzter Glanz der Märchenstadt, S. 72. 608 Siehe HEINDL, Gehorsame Rebellen, Kapitel „Max Weber und die rationale Bürokratie“, S.  348–356. 609 NIKLKAS LUHMANN, Zweck – Herrschaft – System. Grundbegriffe und Prämissen Max Webers. In: Bürokratische Organisation, hg. von Renate Mayntz (Köln 1968), S. 36–56, NIKLAS LUHMANN, Soziologische Aufklärung, Bd. 3: Soziales System, Gesellschaft, Organi- sation (Opladen 1981); siehe auch HEINDL, Bureaucracy, Officials, S. 56 f. 610 Siehe Kapitel „Selbstinszenierungen“.
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Josephinische Mandarine Bürokratie und Beamte in Österreich
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Josephinische Mandarine
Untertitel
Bürokratie und Beamte in Österreich
Autor
Waltraud Heindl
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2013
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78950-5
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
336
Schlagwörter
Bürokratie, Beamte, Österreich, Österreich-Ungarn, nationale und politische Identitäten, Loyalitäten, Alltagskultur, Frauen im Staatsdiens, Image
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 11
  2. I. Bürokratie und Beamte – eine Spurensuche Versuch einer Einführung 17
    1. 1. Theoretische Überlegungen 17
    2. 2. Die zwei Realitäten der Bürokratie 24
    3. 3. Definitionen, Details und Daten 26
  3. II. 1848 – ein Wendepunkt für die österreichische Bürokratie? 35
  4. III. Die Bürokratie und das neoabsolutistische Experiment 45
    1. 1. Diskussionen um die bürokratische Neugestaltung 45
    2. 2. Neue Strukturen und Arbeitsfelder. Die Liquidierung der Revolution auf dem Verwaltungsweg 47
    3. 3. Beamtenethos und Beamtenideal der neuen Ära 54
    4. 4. Ziviler Ungehorsam und staatliche Disziplinierung 60
    5. 5. Ausbildung, ökonomische Lage und sozialer Status vor 1867 66
  5. IV. Beamtentum und Verfassungsstaat – ein Neubeginn? 85
    1. 1. Wandel der politischen Strukturen 85
    2. 2. Staatsdiener – Staatsbürger. Neue politische Rechte – neue politische Probleme 87
    3. 3. Widersprechende Loyalitäten: zwischen Kaiser und Staat – Nation/en und Partei/en 90
    4. 4. Parteipolitische Konfliktszenen 99
    5. 5. Nationale Illustrationen 106
    6. 6. Traditionelle Karrieremuster gegen politischen Protektionismus 121
    7. 7. Soziale Privilegierung und dienstliche Disziplinierung: Streiflichter zu den ökonomischen und sozialen Verhältnissen 1873–1914 131
    8. 8. Die ungewohnte Neue: Frauen im Staatsdienst 147
    9. 9. Macht und Ohnmacht. Direkte und indirekte Einflussnahme 154
    10. 10. Generationenkonflikte um 1900 160
  6. V. Das soziale Umfeld 165
    1. 1. Beamte und bürgerliche Gesellschaft 165
    2. 2. Der Alltag im bürokratischen Leben oder die kleinen großen Unterschiede 168
      1. Soziale Distinktionen: Ausbildung, Karriere und Rekrutierung 170
      2. Äußere Zeichen – Für und Wider die Beamtenuniform 177
      3. Umgangsformen im Amt 180
      4. Arbeitszeit und Amtsräume 184
      5. Amtsroutine, Akten und bürokratische Skurrilitäten 187
    3. 3. Verbindende Gemeinsamkeiten – Amtsstil, Kanzleisprache und die Architektur der Amtsgebäude 190
    4. 4. Der private Alltag – das symbolische Kapital 198
      1. Amtsroutine im Privatleben? 198
      2. Bürgerlicher Lebensstandard?
      3. Die Grundbedürfnisse Essen und Wohnen 200
      4. Die Beamtenfamilie: Intimität und Öffentlichkeit 209
      5. Die „gut-bürgerliche“ Gesellschaft – Private Netzwerke 221
      6. Freizeitgestaltung als Netzwerkbildung 229
  7. VI. Inszenierungen 235
    1. 1. Literarische Inszenierungen – Fremdbilder 235
    2. 2. Selbstinszenierungen – Selbstzeugnisse 244
  8. VII. Josephinismus und Moderne um 1900 253
    1. 1. Typisch „josephinische“ Beamteneliten? 253
    2. 2. „Andersgläubige“, Sozialdemokraten und Künstler – ungewöhnliche josephinische Beamte? 260
    3. 3. Ein anderer ungewöhnlicher Beamter – Dr. Ludwig Ritter von Janikowski 267
  9. VIII. Was blieb? – Anstatt eines Schlusswortes 277
    1. Anhang 285
    2. Bildnachweis 285
    3. Abkürzungsverzeichnis 286
      1. I. Die Verwaltung und Organisation des österreichischen Kaiserstaates 287
      2. II. Entwicklung der Gehälter der höheren Beamten nach den Gehaltsreformen 288
    4. Quellen-und Literaturverzeichnis 290
    5. Archivalische Quellen 290
    6. Gedruckte Quellen 291
    7. Autobiografische Schriften 295
    8. Ausgewählte Roman- und Dramenliteratur 298
    9. Sekundärliteratur 299
    10. Sachregister 313
    11. Namenregister 317
    12. Ortsamenregister 321
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