Seite - 16 - in TYROLIS LATINA - Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 1
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Vorwort16
Zugehörigkeit zum deutschen Sprachraum, wo Lat. länger als anderswo eine vor-
herrschenden Stellung behielt –, aber ihnen stehen das Fehlen großer Städte und
wirklich bedeutender Klöster sowie die Tatsache gegenüber, dass es sich alles in al-
lem um ein dünn besiedeltes Gebirgsland handelt. Nimmt man versuchsweise an,
dass seine ‚Lateindichte‘ europaweit im guten Durchschnitt liegt, so kann man es
bei aller gebotenen Vorsicht wagen, die Zahl der seit dem Ende der Antike auf Lat.
verfassten Texte, die auf uns gekommen sind (die Masse des Verlorenen war wohl
nochmals um ein Vielfaches umfangreicher), zumindest der Größenordnung nach
abzuschätzen : Sie dürfte etwa im siebenstelligen Bereich liegen.
b) Ein großer Teil der Texte ist späten Datums. Die Neolatinistik konzentriert ihre
Aufmerksamkeit traditionell auf die Zeit vom 14. bis zum 16. Jh. Spätere Epo-
chen werden, sei es aufgrund des einsetzenden Aufstiegs der Volkssprachen, sei
es aufgrund eines auch in anderen Wissenschaften feststellbaren Interesses für
‚Ursprünge‘ samt Abwertung der Folgezeit als repetitiv und dekadent, weniger
intensiv erforscht. Demgegenüber ist zumindest für Tirol festzuhalten, dass der
überwiegende Teil unserer Texte aus dem 17. und 18. Jh. stammt. Aus dem 19. Jh.
haben wir immer noch mehr als aus dem 16., und in manchen Disziplinen spielt
Lat. bis ins 20. Jh. (Theologie, Neuscholastik, Philologie) oder gar bis heute (Bo-
tanik) eine wichtige Rolle. Mögen hierbei auch einige landesspezifische Faktoren
wie die Tatsache, dass die Universitätsgründung 1669 der Lateinproduktion einen
Schub verlieh, und der stark ausgeprägte Katholizismus eine gewisse Rolle spie-
len – ganz untypisch dürfte das Bild zumindest für Mitteleuropa nicht sein. Aber
nicht nur in puncto Quantität, sondern auch, was die Qualität betrifft, verdient
die Spätzeit mehr Interesse, als ihr bislang zuteilwurde : So schreiben etwa die Je-
suiten bis Ende des 18. Jhs. ein überaus gekonntes, nuancenreiches Lat., und die
lat. Fachsprachen der zuvor genannten Disziplinen werden weiterentwickelt und
ausdifferenziert, solange sie in Gebrauch sind.
c) Das Kriterium der literarischen Gattung hat sich als Gliederungsprinzip insge-
samt bewährt, doch eine Fülle problematischer Einzelfälle hat uns bewusst ge-
macht, dass die nachantike lat. Literatur diesbezüglich von verwirrender Vielfalt
ist. Häufig blieb der Versuch, einen bestimmten Text einer geläufigen Gattung
zuzuweisen, zum Scheitern verurteilt und die Einordnung in das betreffende Ka-
pitel eine pragmatische Verlegenheitslösung : Wie verfährt man diesbezüglich etwa
mit einem ciceronianischen Dialog über Steuerrecht (Franz Adam von Brandis,
Quomodo sine aerarii foenere mellificandum, Bozen 1686), mit einer panegyrischen
Satura Menippea (Regulus ab aquila exaltatus, Innsbruck 1703), mit einem nach
der Vulgata und der antiken Historiographie stilisierten Bericht über einen be-
rühmten Scharlatan (Clementino Vannetti, Liber memorialis de Caleostro, Mori
1789) ? Zwar gibt es durchaus ein Gebiet, innerhalb dessen die Legislation der
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- TYROLIS LATINA
- Untertitel
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Band
- 1
- Autoren
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Herausgeber
- Karlheinz Töchterle
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 602
- Schlagwörter
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Überblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593