Seite - 22 - in TYROLIS LATINA - Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 1
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22 Von den Anfängen bis zu Meinhard II. und der Begründung der Tiroler Landeseinheit (um 1285)
dann bezeugt dies auch die Existenz von literarischen Ambitionen im Umkreis des
Bischofs oder eventuell auch des in Trient residierenden langobardischen Herzogs.
Das Werk des Secundus, das um 600 verfasst wurde, ist insgesamt leider verloren
gegangen. Beachtung verdient in diesem Zusammenhang aber auch die Tatsache,
dass Secundus als Abt bezeichnet wird. Dies ist ein sehr isolierter Hinweis auf die
Existenz eines spätantiken/frühmittelalterlichen Klosters im Raum von Trient, von
dem ansonsten keinerlei Spuren existieren. Als älteste Zeugnisse einer äußerst be-
scheidenen Form der Historiographie sind ferner die im Rahmen der Liturgie ent-
standenen Bischofslisten von Trient und Säben anzusprechen, deren früheste Origi-
nalüberlieferung heute allerdings erst aus dem 11. Jh. (Trient) und aus dem späten
MA (Brixen) stammt. Die älteste heute noch erhaltene lat. Originalhandschrift im
alttirolischen Raum reicht in das 6. Jh. zurück. Es handelt sich dabei um ein lat.
Evangeliar auf Purpurpergament, dessen Entstehung in Trient allerdings nicht ge-
sichert ist. Es wird mit dem berühmten Codex argenteus, der gotischen Bibelüber-
setzung des Ulfilas, heute das Prunkstück der Universitätsbibliothek von Uppsala,
in Zusammenhang gebracht, die wahrscheinlich am Hofe des Gotenkönigs Theo-
derich in Ravenna um 500 entstanden ist. Aus dem Bereich von Säben-Brixen ist
offenbar keine Hs. aus der Zeit vor etwa 800 überliefert.
Die schrittweise Einbeziehung des späteren Tiroler Raumes in das bayerische
Herzogtum der Agilofinger, die im 7. Jh. begann, brachte auch für den Bereich der
Bildung in den Alpentälern neue Impulse. Allerdings lassen sich diese erst im 8. Jh.
deutlich fassen, etwa in der Person und im Wirken des aus der Gegend von Meran
stammenden Bischofs Arbeo von Freising, der durch die von ihm verfassten Viten
der sogenannten Bayernapostel Emmeram und Corbinian sogar zum ersten baye-
rischen Schriftsteller avancierte. In diesen Zusammenhang neuer geistlicher und
kultureller Impulse, die nun aus dem Norden in die Gebirgstäler auf beiden Seiten
des Brenners kamen, gehört auch die Gründung von Innichen, des ersten ‚Tiroler‘
Klosters im MA, durch den bayerischen Herzog Tassilo III. im Jahre 769. Man
kennt aber keine literarischen Produkte aus der Frühzeit der Pustertaler Mönchs-
gemeinschaft. Der Wortlaut der Gründungsurkunde blieb nur in einem Freisinger
Kopialbuch erhalten, denn Innichen unterstand als sogenanntes Eigenkloster direkt
dem Freisinger Oberhirten. Das berühmte Innicher Evangeliar, heute in der ULBT
aufbewahrt (vgl. Farbtafel 1), entstand erst kurz vor 900 und vermutlich nicht im
Pustertaler Kloster selbst. Dass die Hs. dann sehr bald nach Innichen gelangte, be-
zeugen einige kurze Eintragungen über Schenkungen an das Kloster des Hl. Candi-
dus. Mehr erhalten blieb aus der Schreibschule des ebenfalls noch vor 800 gegrün-
deten Klosters Müstair/Münster im heutigen Graubünden, das lange Jahrhunderte
mit dem nachmaligen Land Tirol engstens verbunden war. Aus Müstair/Münster
sind Handschriftenfragmente aus karolingischer Zeit überliefert, die sich in der
Einfluss der
bayerischen
Herzöge
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- TYROLIS LATINA
- Untertitel
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Band
- 1
- Autoren
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Herausgeber
- Karlheinz Töchterle
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 602
- Schlagwörter
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Überblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593