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24 Von den Anfängen bis zu Meinhard II. und der Begründung der Tiroler Landeseinheit (um 1285)
Stellenwert der
Bischöfe von
Trient und Brixen
Sakramentar
Ulrichs II. Mitte Europas und der Apenninhalbinsel entscheidend an Bedeutung. Dementspre-
chend erwiesen sich die Herrscher als großzügig gegenüber den Bischöfen von Säben,
die nun, in den Jahrzehnten vor der Jahrtausendwende, ihren Sitz von der geschütz-
ten Höhe über Klausen in die Talweitung von Brixen verlegten. Allmählich begann
man jetzt auch mit der schriftlichen Aufzeichnung von Rechtsgeschäften, die etwa
Zuwendungen von Gütern und Menschen an die Bischofskirche betrafen. Knapp
nach 1000 wurden vorher einzeln festgehaltene Notizen über Schenkungen und
Tauschgeschäfte in einem eigenen Traditionscodex zusammengeschrieben, der eine
der wichtigsten Quellen für die Geschichte des Hochmittelalters im Tiroler Raum
geworden ist. In Trient ist keine annähernd gleichwertige Überlieferung entstanden.
Wohl aber war es der Bischof von Trient, der im Jahre 1004 die Grafschaftsrechte
in der Umgebung seiner Residenzstadt von König Heinrich II. übertragen erhielt.
Die Betrauung eines hohen geistlichen Würdenträgers mit öffentlich-rechtlichen
Aufgaben (Einhebung von Abgaben, Wahrnehmung der Gerichtsbarkeit, Oberbe-
fehl über das Heeresaufgebot) entsprach dem Zug der Zeit und bot sich in beson-
derem Maße in den Alpentälern an, da auf diese Weise die nach dem Herrscher
oberste Gewalt in der strategisch entscheidenden Kommunikationslinie zwischen
Italien und Deutschland nicht mehr in den Händen von weltlich Großen lag, die
mit Erfolg nach der Erblichkeit dieser Positionen strebten, sondern in den Händen
von Kirchenfürsten, auf deren Bestellung Kaiser und Könige damals noch entschei-
dend Einfluss nehmen konnten. Die salischen Herrscher verliehen in der Folge wei-
tere Grafschaftsrechte an die Bischöfe von Trient (Etschtal, Vinschgau) und Brixen
(Eisacktal, Tiroler Inntal, Pustertal). Damit setzte ein Ablöseprozess dieser Gebiete
von größeren politischen Einheiten im Norden (Herzogtum Bayern) und Süden
(Markgrafschaft Verona) ein. Dass aber nicht die Bischöfe die entscheidenden
Nutznießer dieses Prozesses werden würden, sondern neue weltliche Geschlechter,
deren Angehörige zu Vögten, also zu Vertretern der Kirche in weltlichen Angelegen-
heiten bestellt wurden, sollte sich dann im Laufe des 13. Jhs. herausstellen.
Die erhöhte politische Bedeutung, die der Trientner Oberhirte knapp nach der
Jahrtausendwende erlangte, fand in einer bemerkenswerten Hs. ihren Niederschlag,
die unter Bischof Ulrich II. (1022–1055) entstanden ist. Das Sakramentar enthält
neben den üblichen liturgischen Texten eine Liste der Trientner Oberhirten seit
dem Bestehen dieses Bischofsitzes, hunderte Eintragungen von weiteren Totenge-
dächtnissen von Kaisern, Königen, Bischöfen und anderen Klerikern sowie von
Laien, die sich als Wohltäter der Kirche des Hl. Vigilius erwiesen haben. Ein Teil
davon waren Teilnehmer an Italienzügen Kaiser Heinrichs II., derer man in Trient
im Gebet gedachte. Analoge Aufzeichnungen sind aus Brixen nicht erhalten. Wohl
aber ist um 1030 erstmals ein magister scholarum in der Stadt am Eisack bezeugt,
der an der dortigen Domschule tätig war, und dort erhielten nicht nur Geistliche,
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- TYROLIS LATINA
- Untertitel
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Band
- 1
- Autoren
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Herausgeber
- Karlheinz Töchterle
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 602
- Schlagwörter
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Überblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593