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Epochenbild 29
Carmina Burana
Schriftlichkeit
und Bildung in
den Städten
Bozen und Trient, der Klarissen in Trient, Brixen und Algund sowie der Domini-
kaner in Trient und Bozen und der Dominikanerinnen in Lienz galt aber zweifellos
nicht der Literatur, sondern der Seelsorge bzw. dem Gebet und der Kontemplation.
Immerhin verdanken wir dem Dominikaner Bartholomäus von Trient eine um-
fangreiche lat. Sammlung von Marienlegenden und ein Werk mit Legenden von
weiteren Heiligen, in dem auch die regionalen Fürbitter im Himmel eingehend
gewürdigt werden. Die literarischen Bemühungen des Fra Bartolomeo sind im Zu-
sammenhang mit der Predigttätigkeit seiner Mitbrüder zu sehen. In den gleichen
Kontext zur Belehrung eines breiten Publikums gehört wohl auch das volkssprach-
liche Werk Der sele Rat, als dessen Verfasser der Bozner Dominikanerprior Hein-
rich von Burgeis gilt. Von den Anfängen des Deutschen Ordens in Tirol berichten
nahezu ausschließlich urkundliche Aufzeichnungen.
Als Höhepunkt des literarischen Bemühens in den älteren Tiroler Klöstern im
13. Jh. wäre wohl die Sammlung der sogenannten Carmina Burana anzusprechen,
falls sie tatsächlich in Neustift bei Brixen entstanden sein sollte. Auch die jüngst
vorgebrachte These von der Entstehung der berühmten Hs. in Trient würde noch
ein Glanzlicht in der ansonsten eher düsteren literarischen Landschaft an Etsch,
Eisack und Inn bedeuten. Die Diskussion über den Entstehungsort dieser Gedichte
scheint aber noch nicht abgeschlossen. In geradezu auffälliger Weise konzentrierte
man sich im Gebiet der jungen Grafschaft Tirol weiterhin auf die schriftliche Fi-
xierung von Rechtstiteln und in zunehmendem Maß auch auf Aufzeichnungen im
Rahmen einer geordneten Verwaltung der Rechte, Besitzungen und konkreten Ein-
künfte. Dabei fand bis in das ausgehenden 13. Jh. immer noch ganz überwiegend
die lat. Sprache Verwendung.
Zweifellos hat aber das Interesse an Schriftlichkeit und literarischer Bildung im
Laufe des 13. Jhs. auch im werdenden Tirol zugenommen und insbesondere die
Schranken kirchlicher Kreise bereits deutlich überwunden. Damals trat immer
deutlicher besonders in den städtischen Zentren eine neue Schicht der Bevölkerung
in Erscheinung, die intensivst an der Schriftlichkeit interessiert war. Aus dem itali-
enischen Bereich kommend, begannen Notare zunächst in den Städten Trient und
Bozen ihre Tätigkeit. Noch im Laufe des 13. Jhs. begegnen Notare sodann auch
in Meran und im Vinschgau. Die von ihnen durchwegs in lat. Sprache verfassten
Schriftstücke über Rechtsakte lassen zwar kaum besondere stilistische oder litera-
rische Ambitionen erkennen, sie verraten aber immerhin eine mehr oder weniger
ausgeprägte juristische und sprachliche Bildung ihrer Urheber. Auch der in Bozen
im Jahre 1237 isoliert bezeugte Schulmeister Konrad dürfte in seiner Person und
in seinem Wirken in diesen neuen Aspekt der Laienbildung einzuordnen sein. Zu
dieser neuen, dem literarischen Leben aufgeschlossenen Schicht zählten insbeson-
dere auch die Kaufleute und allgemein das Bürgertum. Dieses Publikum kommt
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- TYROLIS LATINA
- Untertitel
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Band
- 1
- Autoren
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Herausgeber
- Karlheinz Töchterle
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 602
- Schlagwörter
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Überblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593