Seite - 40 - in TYROLIS LATINA - Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 1
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40 Von den Anfängen bis zu Meinhard II. und der Begründung der Tiroler Landeseinheit (um 1285)
Carmina Burana
Entstehungsort
Datierung Vorlage fĂĽr den Hauptteil der Hs. B vermutet Santifaller 1923, 44 hingegen das
Winther’sche Original. Eine weitere Hs. des 13. Jhs. (ULBT, Cod. 942) enthält
Fragmente des kalendarischen Urbars.
Das wohl bekannteste Beispiel lat. Lyrik des Mittelalters findet sich in BSB, Clm
4660/4660a,17 dem sogenannten Codex Buranus, benannt nach seiner Provenienz,
dem Kloster Benediktbeuren, wo die Hs. im Jahr 1803 im Zuge der Säkularisierung
der bayerischen Klöster entdeckt wurde. Wie die in diesem Codex enthaltene Lie-
dersammlung mit dem Titel Carmina Burana („Benediktbeurer Lieder“) dorthin
gelangte, ist ungewiss.
Galt eine Entstehung der Carmina Burana im Kloster Seckau in der Steiermark
lange als gesichert,18 tendiert die moderne Forschung zur Annahme einer Ent-
stehung in Tirol, im Augustiner-Chorherrenstift Neustift bei Brixen. Steer 1983
unternahm an Hand der im Buranus enthaltenen deutschen Texte sprachgeogra-
phische Ortungsversuche, deren Ergebnisse nach SĂĽdtirol weisen. FĂĽr Neustift als
Entstehungsort spricht laut Knapp 1994, 407 u.a. die Tatsache, dass die Augusti-
ner-Chorherren auch weltlichen Inhalten gegenĂĽber offen waren (dagegen Sayce
1992, 202). Drumbl 2003 wagt einen neuen Lokalisierungsversuch, indem er sich
die Frage nach dem Auftraggeber und dem Zweck der Sammlung stellt : Dass der
Buranus von einem geistlichen Kunstliebhaber zu privatem Gebrauch in Auftrag
gegeben worden sei oder dass er dem Eigengebrauch eines Augustiner-Chorherren-
stiftes dienen sollte,19 schlieĂźt er aus (336, 353) ; eher nimmt er eine Entstehung im
Umkreis Kaiser Friedrichs II. während dessen Aufenthaltes im Jahr 1236 in Trient
an – als Förderer der Künste zog Friedrich II. sicher auch zahlreiche fahrende Kle-
riker an, deren Aufzeichnungen als Quelle für den Buranus dienen konnten –, und
zwar zum Gebrauch fĂĽr eine kirchliche Ă–ffentlichkeit.
Zumindest ĂĽber die Entstehungszeit des Liederbuches herrscht Konsens : Man
nimmt an, dass die Aufzeichnung der Sammlung etwa um 1230 erfolgte, und zwar
durch zwei verschiedene Schreiber (Hilka/Schumann/Bischoff 1961, 13*–27* un-
terscheiden drei Hände) ; aus paläographischen und kunsthistorischen Analysen
lässt sich eine Entstehung vor 1250 ableiten, als terminus post quem gilt die Ent-
stehungszeit des Neidhartliedes (CB 168a) 1217/19. Die Sammlung erfuhr in den
Jahrzehnten nach ihrer Entstehung noch Erweiterungen, die letzten Nachträge (CB
1* und 7*) stammen aus dem frĂĽhen 14. Jh.
17 Die Hs. liegt heute in zwei Teilen vor : Clm 4660 (Bl. 1–112) und 4660a (Bl. I–VII, Fragmenta
Burana).
18 Die Seckau-These geht auf Bernhard Bischoff zurĂĽck, doch sie orientiert sich nicht an der Haupt-
sammlung, sondern an den Nachträgen (s. Hilka/Schumann/Bischoff 1941–1970, Bd. 1,3, 12).
19 Knapp 1994, 421 hatte angenommen, dass der Redaktor „eine Art Hand- und Hausbuch für die
Musik- und Poesieliebhaber einer geistlichen Gemeinschaft“ schaffen wollte.
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- TYROLIS LATINA
- Untertitel
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Band
- 1
- Autoren
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Herausgeber
- Karlheinz Töchterle
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 602
- Schlagwörter
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Ăśberblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593