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Ăśberblick 43
Quellen
zudem kommentieren sie in einigen Fällen die voran stehenden Texte. Daneben gibt
es Mischformen, die aus rhythmischen und metrischen Teilen bestehen (CB 65, 71
u.a.)
BenĂĽtzt der Redaktor des Codex Buranus vermutlich mittelalterliche Florilegien
als Quellen fĂĽr die versus, so gilt Ă„hnliches fĂĽr die Quellen der liedhaften Dich-
tung : Der Redaktor erstellt seine Kompilation auf der Basis von bereits vorlie-
genden Zusammenstellungen. Diese Annahme wird durch das Vorkommen von
Dubletten (CB 85 und 159) und durch eine ähnliche Reihung der Lieder in Par-
allelhandschriften bestätigt ; hierbei handelt es sich um Musikhandschriften (z.B.
weist der Buranus eine Nähe zum sogenannten Nôtre-Dame-Repertoire sowie zum
Saint-Martial-Repertoire auf) und um Sammlungen einzelner (Petrus von Blois,
Walther von Châtillon) oder verschiedener Dichter.
Die einzelnen, vorwiegend im 12. und frĂĽhen 13. Jh. entstandenen Elemente des
Codex Buranus sind unterschiedlicher Provenienz, sodass Knapp die Sammlung im
Titel seines Aufsatzes von 1996 treffend als „Europäische Lyrik in Südtirol“ charak-
terisieren kann. Zwar wurde zu lediglich zwei Liedern, CB 6* und 9*, von einem
Korrektor, der sich um 1300 mit der Hs. beschäftigte, der Verfassername gesetzt –
es handelt sich dabei um Gedichte des Marner –, dennoch lassen sich für zahlreiche
versus und Lieder die Autoren eruieren :
Etliche versus gehen auf antike Autoren – Horaz, Satiren und Episteln (CB 13,2,
CB 25,6–7), Ovid, Tristien (CB 18,2), Heroides (CB 104a), die Disticha Catonis (CB
13,5) u.a. –, andere auf mittellateinische Autoren zurück : Otloh von St. Emmeram
(CB 28, 32, 38, 125), Marbod von Rennes (CB 122a, 214), Hugo Primas (CB 194).
Ein Großteil der carmina ist westlicher, meist französischer Herkunft ;22 so begegnen
als Verfasser z.B. Walther von Châtillon (CB 8, 19, 42 u.a.), Petrus von Blois (CB
29–31, 63, 108 u.a.) und Philipp der Kanzler (CB 21, 34, 131 u.a.). Die meisten
Lieder bleiben jedoch anonym. Bei den mittelhochdeutschen Liedern bzw. Lieds-
trophen (vgl. Wachinger 1985) verhält es sich ähnlich. Manche der deutschen Vor-
lagen, auf welche die lat. Lieder der Sammlung zurĂĽckgehen, lassen sich bekannten
Autoren zuweisen : Walther von der Vogelweide, Reinmar, Neidhart, Heinrich von
Morungen, Dietmar von Aist u.a. Bei den mittelhochdeutschen StĂĽcken handelt es
sich teils um rein deutsche Texte (CB 2*, 7*, 17*), teils um deutsch-lat. Kombinati-
onen ; Letztere treten entweder syntaktisch gemischt wie CB 177 oder als lat. Lieder
mit deutscher Zusatzstrophe entgegen (CB 112–115, 161–175 u.a.).23 Einige dieser
22 Knapp 1994, 408 hält es auf Grund der engen Kontakte Neustifts zu Klosterneuburg für möglich,
dass ein Teil des Liedgutes aus dem französischen Raum über dieses und andere Chorherrenstifte
wie etwa Seckau und St. Florian nach Tirol kam.
23 MĂĽller 1981 spricht beim ersten Typus von Sprachmischung, beim zweiten von Mehrsprachigkeit.
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- TYROLIS LATINA
- Untertitel
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Band
- 1
- Autoren
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Herausgeber
- Karlheinz Töchterle
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 602
- Schlagwörter
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Ăśberblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593