Seite - 48 - in TYROLIS LATINA - Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 1
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48 Von den Anfängen bis zu Meinhard II. und der Begründung der Tiroler Landeseinheit (um 1285)
Überlieferung ;
Rezeption
Vita Corbiniani
Intention Von der älteren Fassung A der Vita Haimhrammi existieren neun Hs., von denen
jene aus St. Amand (heute Paris, Bibl. Nat., ms. lat. 2990A) Arbeos sprachliche und
stilistische Eigenheiten wohl am ehesten beibehalten hat (dazu Bischoff 1953, 95).
Um die Mitte des 9. Jhs. entstand in Regensburg die jüngere Fassung B, von der
zwölf Hs. erhalten sind. Die Schrift erfuhr in den Jahrhunderten nach ihrer Entste-
hung eine weite Verbreitung ; im 11. Jh. kam es zweimal zu einer Neubearbeitung
der Vita, einmal durch Meginfried, Lehrer an der Magdeburger Domschule, und
dann auch durch Hartwich, Mönch im Kloster St. Emmeram, der eine rhythmische
Fassung erstellte. Auch zahlreiche ikonographische Darstellungen Emmerams und
seines Martyriums wurden durch Arbeos hagiographische Schrift inspiriert, wie
etwa die Illustration der Passion Emmerams im sogenannten Stuttgarter Passionale,
einer Hs. des 12. Jhs. (Stuttgart, Württembergische Landesbibliothek, Cod. bibl.
fol. 56, Bl. 107r).
Die Virgil von Salzburg gewidmete Biographie des Freisinger Bischofs Corbi-
nian, die Vita Corbiniani,28 führt von seiner Herkunft aus der Gegend von Melun
(in der Nähe von Paris), wo er als Mönch lebte, über seine Reisen und sein Wirken
in Freising, wo er 725 starb, bis zu seiner Überführung nach Mais und der Rückho-
lung des Leichnams durch Arbeo. Wie in der Vita Haimhrammi werden auch hier
im letzten Teil des Werkes die Wunder nach Corbinians Tod dargestellt, doch im
Gegensatz zur Biographie des Hl. Emmeram überwiegen in dieser Vita historisch
fassbare Ereignisse und Gestalten die Legendenbildung, was wohl auf die zeitlich
größere Nähe zur Lebenszeit des Verfassers zurückzuführen ist ; vielleicht konnte
Arbeo sogar Zeitgenossen Corbinians befragen. Neben der Einarbeitung von
mündlich Tradiertem lässt sich auch ein Rückgriff auf literarische Vorlagen erken-
nen wie etwa die Vita Hilarionis des Hieronymus, die Dialoge Gregors des Großen
und die Vita Sancti Columbani des Ionas von Bobbio, hagiographische Gestaltungs-
muster, die Arbeo auch bisweilen durchbricht : Arbeos Corbinian entspricht nicht
dem landläufigen Bild des Heiligen, der seine Emotionen unter Kontrolle und der
irdischen Welt den Rücken gekehrt hat : Arbeos Heiliger gerät rasch in Zorn, lässt
sich zu Gewalttätigkeiten hinreißen, kann sich mitunter das Lachen nicht verbei-
ßen, hat eine Vorliebe für schöne Pferde und verfügt über weltlichen Besitz, womit
er dem Typus eines ‚Adelsheiligen‘ entspricht (dazu Berschin 1991, 88).
Zielte Arbeo mit der Emmeramsvita auf eine Kultförderung und -konsolidierung
ab, so ging es bei der Erstellung dieser Biographie um eine Kultbegründung : Mit
28 Hg. von Krusch 1920, 100–234 ; neu erstellte Ausgabe mit Übersetzung von Brunhölzl 1983. Zur
Vita Corbiniani s. die umfassende Untersuchung von Vogel 2000 (die Thesen, die Vogel in diesem
Buch vorlegt, stießen auf breites Interesse und wurden vielfach diskutiert, u.a. von Diepolder 2001
und Haarländer 2001).
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- TYROLIS LATINA
- Untertitel
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Band
- 1
- Autoren
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Herausgeber
- Karlheinz Töchterle
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 602
- Schlagwörter
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Überblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593