Seite - 62 - in TYROLIS LATINA - Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 1
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62 Von der Tiroler Landeseinheit bis zum Tod Kaiser Maximilians
I. (1519)
lat. Schriften
Hof stammende Dominikaner Leonhard Huntpichler (1405–1478), der an der Wiener
Universität wirkte. Auch das Niveau der heimischen Bildungsstätten dürfte gestie-
gen sein, wie das Beispiel Trients zeigt, wo Calapino de Calapini um 1454 Rechts-
wissenschaften unterrichtete, ein Fach, das üblicherweise nicht an den Domschu-
len gelehrt wurde und für Universitätsstudenten erst nach der Grundausbildung
an der Artistenfakultät zugänglich war. In Brixen wiederum ließ der scholasticus
(der mit der Leitung der Schule beauftragte Domherr) Konrad Wenger ein – nicht
mehr erhaltenes – Schulbuch drucken. Einen Einblick in den vorhumanistischen
Schulbetrieb dieser Zeit bietet eine Anleitung für Grammatiklehrer (ÖNB, Cod.
14509, Bl. 2r–11v) aus der Feder Huntpichlers. Er hatte vor seinem Eintritt in den
Orden als vom scholasticus mit dem täglichen Unterricht betrauter rector scholarium
(„Schulleiter“) an der Brixner Domschule gewirkt und diese Erfahrungen in einem
Lehrerhandbuch verarbeitet.
Lat. Schriften wurden in dieser Zeit zahlreicher, während sich gleichzeitig die
neue Geistesrichtung, der Humanismus, von Italien aus allmählich verbreitete und
auch in Tirol immer mehr Anhänger fand.
Die Rolle des Hofes Sigmunds als weiterer Kulturfaktor neben Hochstiften und
Klöstern ist komplex. Der Innsbrucker Hof wurde lange als wichtiges Zentrum der
spätmittelalterlichen Literatur, ja gar als bedeutendes Zentrum des Humanismus
gesehen. Die wichtigste Rolle schrieb man dabei Sigmunds erster Frau, Eleonore
von Schottland (ca. 1433–1480) zu, die sich sogar selbst als Literatin betätigt und
einen französischen Ritterroman, Ponthus et la belle Sidoyne, ins Deutsche übersetzt
haben soll. Sigmund selbst galt als Promotor des Humanismus, da er schon als
Jugendlicher Kontakt zum Erzhumanisten Enea Silvio Piccolomini, dem späteren
Papst Pius II., hatte, der ihm während seiner Zeit als Mündel am Hofe Friedrichs
III.
einen Erziehungstraktat widmete und, auf Friedrichs Wunsch hin, auch eine Vor-
lage für einen lat. Liebesbrief anfertigte. Neuere Forschungen haben das Bild vom
literarischen Leben am Innsbrucker Hof allerdings relativiert und gezeigt, dass dort
kein besonderes Interesse an Literatur vorhanden war und sich demzufolge auch
keine bedeutenden Werke auf eine aktive Förderung durch den Erzherzog oder auf
seinen direkten Einfluss zurückführen lassen ; selbst die erwähnte Romanüberset-
zung ist höchstwahrscheinlich kein Werk Eleonores (stellvertretend für die ältere
Sichtweise vgl. Assion 1982, für die neuere Hahn 1990). Trotz dieser Erkennt-
nisse über das Fürstenpaar selbst steht fest, dass der Hof des freigiebigen Erzherzogs
große Anziehungskraft auf Literaten und Intellektuelle ausübte : Sie suchten eine
Anstellung im fürstlichen Dienst zu erlangen oder erhofften sich materiellen Ge-
winn. Bedeutende Intellektuelle wie die Juristen Laurentius von Blumenau, Gregor
von Heimburg und Ulrich Molitoris, der Wanderhumanist Peter Luder oder der
humanistisch gesinnte Abt von St. Georgenberg (reg. 1469–1491) und Bücher-
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- TYROLIS LATINA
- Untertitel
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Band
- 1
- Autoren
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Herausgeber
- Karlheinz Töchterle
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 602
- Schlagwörter
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Überblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593