Seite - 72 - in TYROLIS LATINA - Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 1
Bild der Seite - 72 -
Text der Seite - 72 -
72 Von der Tiroler Landeseinheit bis zum Tod Kaiser Maximilians
I. (1519)
hofft, die Symonis werde dem Leser voluptati iucunditatique fore, „Vergnügen und Ergöt-
zung bringen“. Es folgen noch drei Distichen eines Johannes Vögelin aus Heilbronn (Ein-
ordnung in die epische Tradition, Wahrheitsanspruch) und schließlich eine Vorrede des
Autors an Hinderbach, welche in ein Gebet ausläuft.
Das erste Buch der Symonis selbst setzt nach dem Proömium (Klagen über den Fall
Konstantinopels, Anrufung Gottes und Marias statt der Musen, Wahrheitsbeteuerungen,
schließlich Hinwendung zur Simonthematik) mit einer Beschreibung Trients ein, an die
sich Ausführungen über Geschichte und Sitten der Juden i.A. anschließen, welche v.a.
ihre Christenfeindschaft betonen : u.a. pflegen sie zu Ostern jeweils ein Christenkind zu
schlachten. Es folgt die Erzählung von der Fassung des Mordplanes bis zum Ende des
Martyriums in der üblichen Form. Nach einer Invektive gegen die Juden kommt ein zwei-
ter Exkurs über ihre finsteren Bräuche und ihre Geschichte, u.a. über ein – mysteriöses
– Judenkonzil im 7. Jh. und den Fall des Richard von Paris im 12. Jh., der demjenigen
Simons ähnelt (vgl. den Titel). Der tote Simon wird nun im Stall des Samuel versteckt.
In der ganzen Stadt wird nach ihm gesucht, aber selbst zwei von Hinderbach angeordnete
Hausdurchsuchungen bei Samuel bleiben ergebnislos. – Zu Beginn des zweiten Buches
versammeln sich die Juden am Ostersonntag, trinken Simons Blut mit Wein gemischt
und essen damit gebackene Opferkuchen. Da ein Versuch, die Leiche mithilfe eines Nach-
barn zu beseitigen, scheitert, wirft einer der Juden, Bonaventura, sie auf Befehl Samuels
in den unter dessen Haus hindurchführenden Kanal und meldet Hinderbach, er habe sie
dort gefunden. Dieser ordnet eine Untersuchung an. Da die Wunden des Kindes beim
Hinzutreten der Juden zu bluten beginnen, werden diese verhaftet. Ärztliche Gutachten
werden angefordert, eine Autopsie durchgeführt. Simons Mutter hält vor der in der Kir-
che aufgebahrten Leiche eine Klagerede. Die Juden beschuldigen einen gewissen Johannes
Schweizer des Mordes, doch Gott löst auf wunderbare Weise die Fesseln des unschuldig
Verhafteten. Auch die Leiche Simons entfaltet eine rege Wundertätigkeit. Der Bischof
stellt Nachforschungen über das jüdische Brauchtum an : Ein konvertierter Jude bestätigt
den Brauch des österlichen Ritualmords, eine Frau berichtet, vor längerer Zeit sei ihr ei-
gener Sohn verschwunden und noch lebend bei Samuel gefunden worden. Nun werden
alle Juden verhaftet und gefoltert, was zu Geständnissen führt ; insbesondere gesteht der
Drahtzieher Samuel. Obwohl sich Juden aus ganz Italien bemühen, ihre Glaubensgenossen
freizubekommen, werden die Todesurteile vollstreckt. Versuche, die wachsende Simonver-
ehrung zu unterbinden, führen zur Entsendung eines päpstlichen Kommissars nach Trient.
Dieser findet einen anderen Schuldigen und will ihn mit sich nach Rom führen, doch der
Betreffende flieht in Verona, während der Kommissar sich vor rabiaten Simonverehrern
in Sicherheit bringen muss. Rom bestätigt Hinderbachs Entscheidungen ; weitere Unter-
suchungen und Verurteilungen folgen. Die einzige Frau unter den Mördern, Brunetta,
widersteht zunächst allen Foltern, gesteht aber schließlich aufgrund einer göttlichen Einge-
bung, lässt sich vor der Hinrichtung taufen und wird in geweihter Erde bestattet.
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- TYROLIS LATINA
- Untertitel
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Band
- 1
- Autoren
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Herausgeber
- Karlheinz Töchterle
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 602
- Schlagwörter
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Überblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593