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Dichtung 73
epische Tradition
und Innovation
Das Gedicht steht in vieler Hinsicht
in der Tradition der antiken Epik.4
Dies gilt für Versatzstücke wie Reden,
Träume, Ortsbeschreibungen, histori-
sche Exkurse (ohne Gegenstück in der
sonstigen Simondichtung) und Gleich-
nisse sowie natürlich für Metrum und
Sprache (die nicht immer souverän
gehandhabt werden : Die Hexameter
holpern mitunter, gelegentlich tauchen
falsche Formen auf). Das wichtigste
einzelne Vorbild ist dabei die Aeneis,
aus der eine Reihe spezifischer Elemente
übernommen und adaptiert werden. So
rekurriert z.B. die auf das Proömium
folgende Ekphrasis Trients (Est urbs
[…], „Es gibt eine Stadt […]“) auf das
bei Vergil an entsprechender Stelle ste-
hende Urbs antiqua fuit […] („Es gab
eine alte Stadt […]“, Aen. 1,12 ; vgl.
auch oben zu Pratos De immanitate).
Die Feindschaft der Juden gegenüber den Christen nimmt die dort im Hintergrund
stehende Feindschaft zwischen Karthago und Rom auf, wobei ihre satanische Wut
zugleich als Ersatz für den Zorn der Juno und wie dieser als Motor der Handlung
dient. Auch der Titel vom Typ „Personenname+-is“ rekurriert auf Vergils Epos.
Allerdings ist der eigentliche Held der Symonis nicht der kleine Simon, sondern
vielmehr Hinderbach, der durch seine Frömmigkeit dem pius Aeneas („frommer
Aeneas“) entspricht. Das weist darauf hin, dass die Symonis auch zur panegyrischen
Epik gehört, die gerade in der Renaissance eine große Konjunktur erlebte. Sie ver-
herrlicht Hinderbach, wo sie nur kann, und dieser Umstand ist einer der Haupt-
gründe dafür, dass sie im Gegensatz zur restlichen Tradition so viel Gewicht auf die
Aufklärung des Falls legt : In diesem Teil der Handlung fällt es leicht, dem Bischof
die Hauptrolle zuzuweisen. Auf die christliche Epik verweisen neben Thematik und
Motivik i.A. beispielsweise die emphatische Ersetzung der Muse als Inspirations-
quelle durch Gott ; die zusätzlich angerufene Maria dürfte als weibliche ‚Gottheit‘
eine Art Kompromiss zwischen heidnischem und christlichem Inspirationsmodell
darstellen. Innerhalb dieses Traditionsstrangs scheint die Symonis als erstes zurzeit
4 Zum Epos und seinen Untergattungen in der nlat. Dichtung vgl. Hofmann 2001.
Abb. 11: Titelblatt der Symonis des Ubertinus
Pusculus, Augsburg 1511.
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- TYROLIS LATINA
- Untertitel
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Band
- 1
- Autoren
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Herausgeber
- Karlheinz Töchterle
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 602
- Schlagwörter
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Überblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593