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Dichtung 75
Gedichtsammlung
von Tiberinus
vorliegenden Werks angespornt (V. 246–255). Die Kombination zweier separater
Teile, eines panegyrischen und eines erzählenden, ist bemerkenswert. Ein interes-
santes Detail im ersten ist die Schreibung des Namens Inderbacchius, die den u.a. als
Humanisten, Mäzen und poetische Inspirationsquelle gepriesenen Bischof mit Bac-
chus assoziieren soll, der ja auch ein Dichtergott ist und aufgrund seines Indienzugs
als Kulturbringer gilt (vgl. besonders V. 31–33). Den Mäzenen Calfurnios gewid-
met, aber ohne Bezug zur Simonthematik sind die beiden folgenden Gedichte, ein
78 Verse umfassendes elegisches Propemptikon des in Venedig bleibenden Dichters
fĂĽr den nach Riva di Garda aufbrechenden Tron sowie zehn in der Tradition von
Ov. trist. 1,1 stehende Distichen, die sich an das Buch selbst wenden und es von
Venedig zuerst nach Riva zu Tron, dann nach Trient zu Hinderbach schicken. Wie-
der zum Simonthema zurĂĽck fĂĽhren die beiden abschlieĂźenden, 22 bzw. 16 Verse
umfassenden Kurzelegien von Zovenzoni. In der ersten wird summarisch das Mar-
tyrium des zu Beginn als Christi morientis imago („Abbild des sterbenden Christus“)
angesprochenen Simon erzählt und dieser gebeten, Hinderbach und den Autor zu
beschĂĽtzen. Die zweite ist eines der wenigen Gedichte, die nicht die Ermordung
Simons, sondern seinen Kult behandeln (vgl. Treue 1996, 225–284 und s.u. zum
Pinacedion des Cimbriacus) : Zovenzoni berichtet in ihr vom Tod seiner kleinen
Tochter Bartholomea und behauptet, dass sie ĂĽberhaupt gezeugt werden konnte,
sei einem GelĂĽbde von ihm zu verdanken, er werde Simons Grab besuchen ; jetzt
löse er sein Versprechen ein. Die Gesamtkonzeption des Büchleins ist nicht klar.
Die Distichen an das Buch, das dritte der fĂĽnf StĂĽcke, ergeben eigentlich nur als
Anfangs- oder Schlussgedicht Sinn. Möglicherweise wurde das ursprüngliche Kon-
zept nachträglich um die beiden Gedichte von Zovenzoni erweitert, um den Band
durch diese Werke eines poeta laureatus aufzuwerten.
Das nächste poetische Produkt, das sich mit Simon befasst, eine am 5. 9. 1482
in Trient gedruckte Gedichtsammlung, stammt wieder von Tiberinus. Den Beginn
macht nach einem Holzschnitt, der die Ermordung des Knaben zeigt, die Elegie
vom Schluss der Hystoria completa. Es folgt ein Vergleich der Passion Simons mit
derjenigen Christi : Dieser ist jeweils ein Hexameter, jener der folgende Pentameter
gewidmet. Erst gegen Schluss löst sich dieses Schema auf. Tiberinus greift damit
eine Idee des spätantiken Elegikers Sedulius auf, der in seiner Collatio veteris et novi
testamenti nach demselben Prinzip AT und NT miteinander vergleicht. In diesem
Gedicht findet die typologische Deutung von Simons Martyrium ihren klarsten
Ausdruck. Von den zwei folgenden elegischen Gebeten ist das zweite insofern be-
merkenswert, als der Dichter darin sich selbst eine wichtige Rolle bei der Aufklä-
rung des Mordes zuschreibt : Er habe Hinderbach als erster gemeldet, eine Frau habe
einen Juden im Gespräch mit dem verschwundenen Knaben gesehen (V.Â
1–6). Das
folgende Liricum carmen („Lyrisches Gedicht“), das von der – in Wirklichkeit nie
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- TYROLIS LATINA
- Untertitel
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Band
- 1
- Autoren
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Herausgeber
- Karlheinz Töchterle
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 602
- Schlagwörter
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Ăśberblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593