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76 Von der Tiroler Landeseinheit bis zum Tod Kaiser Maximilians
I. (1519)
Historia Beati
Simonis,
Wien [1493]
Aemilianus,
Historicon erfolgten – Heiligsprechung Simons gegen den Widerstand jüdischer Kreise erzählt,
steht in rhythmischen trochäischen Dimetern, wobei meist eine Staffel von eini-
gen gereimten Versen durch einen reimlosen und katalektischen Vers abgeschlossen
und das Versmaß sehr frei gehandhabt wird (z.B. V. 1–3 Sacrosancta fides Christi /
Sub imperio Pape Sixti / Tamquam sol resplenduit ; „Der hochheilige Christenglaube
erstrahlte unter der Herrschaft des Papstes Sixtus hell wie die Sonne“). Angesichts
der Abneigung der meisten Humanisten gegen solche mittelalterliche Versformen
(CNLS 2, 99, 431) ist ihr Gebrauch durch Tiberinus bemerkenswert. De Sabino
lacu berichtet in Form eines Hexameterbriefes an Hinderbach über den Lago d’Iseo,
an den der Dichter samt Familie vor der in Brescia wütenden Pest geflohen ist. Es
folgen noch ein hexametrisches Hetzgedicht mit Pogromaufrufen,5 eine Elegie an
Hinderbach mit der Bitte, weiterhin finanzielle Unterstützung zu gewähren, eine
ebenfalls elegische Beschreibung von Mariä Himmelfahrt und schließlich zwei Di-
stichen über den Drucker, den Priester Leonardo Longo, der aus Tarvis stamme
und einer Marienkirche vorstehe.6 Auffällig ist an diesem Druck die Mischung von
Simongedichten mit solchen, die mit dem Fall nichts zu tun haben. Sein einigendes
Band stellt der Bezug der in ihm versammelten Stücke zu Hinderbach dar.
Während die bisher besprochenen Zeugnisse zeitlich wie geographisch im en-
geren Umfeld des Prozesses entstanden sind, kommentiert die wohl 1493 in Wien
erschienene, zwölf Seiten starke Historia Beati Simonis Tridentini („Geschichte des
Seligen Simon von Trient“) das Geschehen schon aus einer gewissen Distanz. Von
den beiden kurzen Stücken, die den Druck eröffnen, zeigen dies weniger die eine
Inhaltsangabe bietenden und durch den Vergleich des Simonmordes mit mytholo-
gischen Untaten um Leserinteresse werbenden Hendekasyllabi des poeta laureatus
C. Paulus Amaltheus als vielmehr das Epigramm des aus Trient stammenden Jaco-
bus Pona an den Autor der beiden folgenden Hauptstücke, den ebenfalls lorbeerge-
krönten Johannes Stephanus Aemilianus aus Vicenza, ein Mitglied des Dichterkrei-
ses um Kaiser Maximilian (1449–1499 ; vgl. Füssel 1987, 24). Pona hebt hervor, er
sei Augenzeuge des Geschehens gewesen, und erklärt Aemilianus, dessen Erzählung
entspreche genau der Wahrheit. Offenbar wollte dieser, selbst mit dem Fall nur aus
zweiter Hand vertraut, den Leser so der Authentizität seiner Darstellung versichern.
Den größten Teil des Büchleins nimmt dann Aemilianus’ 270 Verse umfassende
Elegie Historicon („Historische Darstellung“) ein. Es handelt sich abgesehen von
5 Treue 1996, 292 nennt als Autor dieses Gedichts ohne Begründung Raffaele Zovenzoni. Der Titel
des folgenden Stücks, Eiusdem Iohannis Matthye carmen („Gedicht desselben Johannes Matthias“),
weist es wie alle anderen Gedichte des Drucks Tiberinus zu.
6 Treue 1996, 305 gibt dagegen an, Longo komme aus Vicenza. Um welche Marienkirche es sich
handelt, ist unklar.
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- TYROLIS LATINA
- Untertitel
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Band
- 1
- Autoren
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Herausgeber
- Karlheinz Töchterle
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 602
- Schlagwörter
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Überblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593