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84 Von der Tiroler Landeseinheit bis zum Tod Kaiser Maximilians
I. (1519)
Charakterisierung
persönliches
Gedichtbuch in
Trient zugnahmen auf die Italienischen Kriege sind leider so unspezifisch, dass sie für eine
genauere Datierung nicht ausreichen.)
Die zwischen zwei und 134 Verse langen Gedichte stehen hauptsächlich im Di-
stichon. Daneben finden sich einige Hexameter und Hendekasyllabi sowie eine
Reihe horazischer Odenmaße (sapphische Strophe, erstes und zweites asklepiadei-
sches Maß). Bemerkenswert sind stichische Glykoneen (Bl. 6v, 21v, 25r–26r), wie sie
nicht bei Horaz, wohl aber bei Boethius (cons. 1,6, 2,8, 3,12, 4,3, 5,4) vorkommen,
sowie eine Variante des vierten asklepiadeischen Maßes, bei der Glykoneus und
Asklepiadeus sich in der Strophe nicht abwechseln (GAGA), sondern nach dem
Schema GGAA angeordnet sind (Bl. 13v). Metrische Fehler sind keine Seltenheit ;
die Jugend und Unerfahrenheit des Autors, auf die dieser gelegentlich zu sprechen
kommt (z.B. Bl. 13v ; vgl. auch Ad praeceptorem, „An seinen Lehrer“, Bl. 2r), dürften
also echt sein. Die meisten Gedichte richten sich an bestimmte Adressaten. Insge-
samt wird ein Kreis von rund dreißig Personen angesprochen, von denen jedoch bei
weitem nicht alle zu identifizieren sind. Dem Trientner Milieu gehören etwa Paolo
de Fatis (s.o.) und sein Sohn Tommaso, die beide recht häufig apostrophiert werden,
der Fürstbischof, d.h. entweder Georg von Neideck oder Bernhard von Cles, und
der Präfekt von Trient (Bl. 14r–15r) an. Daneben hat Bellono auch gute Kontakte zu
norditalienischen Humanisten wie Ippolito Fantocci, dem Autor einer Feltrias auf
Guidobaldo I. da Montefeltre, Herzog von Urbino (Bl. 1r). Thematisch finden sich
neben allgegenwärtigen Freundschaftsbezeugungen und Lob für die literarischen
Fähigkeiten von Bekannten sowie den schon erwähnten Italienischen Kriegen etwa
noch Zeitkritik (z.B. Bl. 16r), Todesfälle (Bl. 10r, 11r) und gelehrte Diskussionen,
z.B. über die Etymologie des Namens von Trient (Bl. 10v). Hervorzuhebende Ein-
zelstücke sind eine längere Elegie, in der sich der personifizierte Tod vorstellt (Bl.
7r–8r), eine Ekloge, in der zwei Hirten über die Verderbtheit der Zeit klagen (Bl.
11v–13v), und schließlich eine 18 Verse kurze Elegie an Tommaso de Fatis (Bl. 8v).
Die letztgenannte ist unter Bellonos Namen auch auf dem Einzelblatt BCT, ms.
4966 erhalten und gratuliert Tommaso dazu, dass ein „göttlicher Herrscher“, ent-
weder Maximilian I. oder Karl V., ihn zum eques („Ritter“) gemacht und ihm die
ornamenta aurea militiae („goldenen Abzeichen des Kriegsdienstes“) verliehen hat
(V. 9–11). Damit dürfte die Ernennung zum Ritter vom güldenen Sporn gemeint
sein, eine in der ersten Hälfte des 16. Jhs. häufige Ehrung für verdienstvolle Bürger
und Angehörige des niederen Adels (Schmitt 2000).
Die Sammlungen von Paolo de Fatis und von Bellono repräsentieren im Wesent-
lichen ein und denselben Typ des persönlichen Gedichtbuchs, von dem man ver-
muten kann, dass er sich unter den Trientner Humanisten dieser Zeit allgemeiner
Beliebtheit erfreute. Anzahl, Länge, thematische Ausrichtung, Metrik der Gedichte
– all das ähnelt sich in hohem Maße, ja selbst Details wie die Art der Datierung zu
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- TYROLIS LATINA
- Untertitel
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Band
- 1
- Autoren
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Herausgeber
- Karlheinz Töchterle
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 602
- Schlagwörter
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Überblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593