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96 Von der Tiroler Landeseinheit bis zum Tod Kaiser MaximiliansÂ
I. (1519)
erster Traktat :
Form und Inhalt
Genese und
Zweck-
bestimmung Der erste Traktat ist einem Freund des Autors zugedacht (12) â wie wir aus
dem Aufbewahrungsort der Hs. schlieĂen dĂŒrfen, vielleicht einem Angehörigen des
fĂŒrstbischöflichen Hofes in Trient. Die Einleitung (11â12) erklĂ€rt ihm Anlage und
Absicht der Schrift : Da man sich einen guten rhetorischen Stil am besten durch
eifriges Lesen der Klassiker erwirbt, hat der Verfasser sich bei der CicerolektĂŒre
PhÀnomene notiert, deren Kenntnis diesem Ziel zutrÀglich ist. Allerdings darf man
sich nicht sklavisch an bestimmte Regeln halten ; das oberste Prinzip bei ihrer An-
wendung muss Abwechslung sein. Es folgt ein bunter Mix von Bemerkungen zu
lexikalischen, syntaktischen und phraseologischen PhĂ€nomenen. Ein âInhaltsver-
zeichnisâ der ersten Seiten (12â19) mag einen Eindruck davon geben, wie unsyste-
matisch der Redner sein Material prÀsentiert : Arten ungewöhnlicher Wortstellung
â Gerundivkonstruktionen im Genetiv â attractio des Relativpronomens an das
Subjekt des Relativsatzes â Kasuskongruenz â VerstĂ€rkung von AusdrĂŒcken durch
PrĂ€positionen â multo/longe + Komparativ â Deklination griechischer Substantive â
Konstruktionen vom Typ mihi aliquid gaudio est â Verwendungsweisen von afficio
â Ausdruck der Tatsache, dass zwei Sachverhalte in gleichem bzw. in ungleichem
MaĂe zutreffen ⊠So geht es bis zum Schluss weiter, wo der Adressat zu fleiĂigem
Studium angespornt und ihm fĂŒr diesen Fall weitere Tipps versprochen werden.
AuffÀllig ist der Verzicht auf rhetorische Fachterminologie aus der Figurenlehre, der
vielleicht damit zusammenhÀngt, dass der Autor dieses Thema dem dritten Traktat
vorbehÀlt. Die einzelnen PhÀnomene werden hÀufig mit einem Hinweis auf ihre
NĂŒtzlichkeit oder Schönheit eingeleitet und mit Beispielen illustriert, die meist
ohne, manchmal auch mit Quellenangabe (ĂŒber Cicero hinaus Caesar, Terenz, Ver-
gil u.a.) eingefĂŒhrt werden. Konkret sieht das z.B. so aus (25) :
Id est etiam optimum cognitu, quod dicimus âdecimus quisqueâ et est unus de numero denario.
[âŠ] Hinc illud Cesaris in comentariis : âCognoscit non decimum quemque esse reliquum mili-
tem sine vulnere.â Quo exemplo uti perpulchrum est.
Auch das ist sehr gut zu wissen, dass wir âjeder zehnteâ sagen und dass das âeiner aus einer
Zehnzahlâ bedeutet. [âŠ] Daher rĂŒhrt jener Satz Caesars in den Aufzeichnungen (sc. vom
Gallischen Krieg : Gall. 5,52,2) : âEr erfĂ€hrt, dass nicht einmal jeder zehnte Soldat ohne
Verwundung geblieben ist.â Dieses Beispiel anzuwenden ist ĂŒberaus schön.
Ob der Autor tatsÀchlich, wie er das im Vorwort sagt, seine Notizen zu Cicero
transkribiert und mit weiterfĂŒhrenden Bemerkungen sowie Beispielen aus anderen
Autoren ergÀnzt oder ob er sich vielleicht auf Mitschriften der Vorlesungen des
oben erwĂ€hnten Barzizza gestĂŒtzt hat, bleibt unklar. Auch was er als AutoritĂ€ten
zitierten Schriftstellern wie Gellius, Priscian und Boethius verdankt, muss einer ge-
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- TYROLIS LATINA
- Untertitel
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Band
- 1
- Autoren
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Ć ubariÄ
- Herausgeber
- Karlheinz Töchterle
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 602
- Schlagwörter
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Ăberblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Ć ubariÄ) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Ć ubariÄ) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Ć ubariÄ) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur GrĂŒndung der UniversitĂ€t (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Ć ubariÄ) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Ć ubariÄ) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593