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Rhetorik und Beredsamkeit 97
zweiter Traktat
generische
Einordnung
dritter Traktat :
Aufbau und Inhalt
naueren Untersuchung vorbehalten bleiben. Gedacht war das Werk jedenfalls dazu,
von einem bereits rhetorisch vorgebildeten Leser ganz durchgelesen zu werden ; eine
punktuelle Konsultation war ja aufgrund der mangelnden Systematik unmöglich.
Es sollte dazu beitragen, diesem durch eine groĂźe Menge praktisch verwertbarer
Tipps den letzten Schliff zu geben. Wenn der Autor zu Beginn (12) die Freiheiten
der Wortstellung, die sich der Redner herausnehmen kann, von der tritam vulga-
tamque gramaticorum consuetudinem, der „platten und allgemein bekannten Ge-
wohnheit der Grammatiker“ abhebt, so betont er damit auch diesen Anspruch, eine
gehobene Stilistik fĂĽr Fortgeschrittene zu verfassen. Demselben Zweck dient der
häufige Verweis auf „ausgezeichnete Redner“, „herausragende Männer“ u.ä., welche
diese oder jene Wendung gebrauchten.
Der zweite, nur gut fĂĽnf Seiten umfassende Text beginnt und endet ohne Ein-
leitung bzw. Schlussbemerkungen und ist im ĂĽbrigen nach denselben Prinzipien
aufgebaut wie der erste ; er stellt wahrscheinlich einfach einen Nachtrag zu diesem
dar. Interessant, obgleich falsch, ist die Behauptung, et („und“) komme im Sinne
von etiam („auch“) noch nicht bei Cicero, sondern erst bei späteren Autoren wie
Gellius und Quintilian vor (57). Sie verrät ein waches Interesse an stilistischen Ei-
gentĂĽmlichkeiten verschiedener Autoren und setzt eine Vorstellung davon voraus,
dass das Lat. schon in der Antike eine Entwicklung durchgemacht hat.
Die beiden Traktate lassen sich mit einer Reihe von rhetorischen Genera in Ver-
bindung bringen, die in der Renaissance zusätzlich zu den althergebrachten Fi-
gurenlehren mit dem Ziel auftraten, den Stil ihrer Leser zu verbessern : Elegan-
tien, d.h. Zusammenstellungen gehobener Redewendungen und Konstruktionen,
LehrbĂĽcher De compositione, welche Wortordnung, Euphonie und Satzrhythmus
behandelten und deren wohl erstes um 1420 gerade Barzizza, der Lehrer unseres
Autors, verfasst hat, sowie Synonymiken, von denen ebenfalls eine aus Barzizzas
Feder existierte (Sonkowsky 1958, v.a. viii, lxii–lxiii ; Knape 1994, 1047–1048).
Wirklich zugeordnet werden können sie indes keiner dieser Gattungen : Sie arbei-
ten Elemente aus allen zusammen und scheinen v.a. in ihrem radikalen Verzicht auf
jede erkennbare Systematik durchaus sui generis.
Beim dritten Traktat handelt es sich um eine Figurenlehre. Sein Aufbau – der
relativ leicht nachvollziehbar ist, weil die einzelnen Abschnitte jeweils mit einem
stereotypen (und noch ganz mittelalterlichen) nota quod („beachte, dass“) einge-
leitet werden1 – lässt sich wie folgt zusammenfassen : Zunächst wird die Ansicht
zugrunde gelegt, eine rhetorische Figur sei ein vicium, cum ratione excusatur, d.h.
eine durch eine bestimmte Absicht des Sprechers gerechtfertigte Abweichung vom
normalen Sprachgebrauch. Es gebe drei Arten von Figuren : den metaplasmus, eine
1 Vgl. Sonkowsky 1958, lxi zu Ă„hnlichem bei Barzizza.
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- TYROLIS LATINA
- Untertitel
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Band
- 1
- Autoren
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Herausgeber
- Karlheinz Töchterle
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 602
- Schlagwörter
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Ăśberblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593