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102 Von der Tiroler Landeseinheit bis zum Tod Kaiser MaximiliansÂ
I. (1519)
Inhalt und Aufbau
eine gekonnte
Rede
– und Pandolfo
Collenuccio Auf ein Exordium (Bl. 2rv) folgt der Hauptteil, der sich seinerseits in ein Lob
Maximilians (Bl. 2v–6v) und einen der Hochzeit gewidmeten Abschnitt gliedert (Bl.
6v–11v), worauf der Schlussteil (Bl. 11v–12r) einige wichtige Themen rekapituliert.
Der Maximilian-Abschnitt verbindet einen thematisch geordneten Preis des Herr-
schers (Abstammung, Tugenden usw.) mit einer biographisch disponierten Passage
(Bl. 4v–5r) und berührt auch kurz Maximilians erste Ehe mit Maria von Burgund
(Bl. 6r, vgl. Abb. 16). Der Hochzeits-Abschnitt wird eingeleitet durch eine theo-
logisch-anthropologische Begründung der Institution Ehe (Bl. 6r–7v) und enthält
danach u.a. ein Lob der Braut (Bl. 7v–8r) und eine Erzählung des Verlaufs der Ehe-
schließung (Bl. 8r–10r), wobei offen auch deren politische Vorteile erwähnt werden.
Bescheidenheitstopik und der Verweis auf die treue Gesinnung Sforzas verleihen
der Rede ringkompositorische Geschlossenheit (Bl. 2v, 11v–12r), als roter Faden er-
scheint der Gedanke eines TĂĽrkenfeldzugs unter der Leitung Maximilians, zu dem
mehrmals aufgerufen wird (Bl. 4r, 9v, 10rv, 11rv). Vermutlich vertritt DalMaino hier
eine Idee des auĂźenpolitisch auch sonst ĂĽberaus risikofreudigen Lodovico Sforza.
Wenn in den letzten Sätzen die noch nicht zwanzigjährige Braut dem Wohlwol-
len ihres Gatten empfohlen wird, so glaubt man rückblickend – tatsächlich wurde
die Ehe ja alles andere als glücklich – beinahe etwas wie Mitgefühl und Besorgnis
durchklingen zu hören.
Indem DalMaino seine Rede im Exordium als Gegenstück zu derjenigen präsen-
tiert, die er im Vorjahr anlässlich der Wahl Alexanders VI. zum Papst gehalten hat
(Bl. 2r), stellt er sich gleich zu Beginn als höchstrangigen Diplomaten und Redner
vor. Tatsächlich ist dieses Selbstbewusstsein nicht unbegründet : In seiner „aller-
glänzendsten Rede“ (so der Titel des Drucks) erscheint die Topik der Hochzeitsrede
souverän gehandhabt und gekonnt mit anlassbezogenen Motiven verbunden. Die
Grobgliederung bleibt trotz der thematischen Vielfalt klar, und obwohl der Detai-
laufbau nicht immer stringent ist (was in diesem Genus auch nicht erwartet wurde),
flieĂźen die einzelnen Themen auf natĂĽrliche Art und Weise ineinander ĂĽber, wobei
sich eine allmähliche Zuspitzung auf den gegenwärtigen Anlass hin beobachten
lässt. Immer wieder wird der Aufbau durch vorwiegend der antiken Geschichte
entnommene Exempla aufgelockert : So wird etwa die bemerkenswert modern
wirkende Forderung, ein Kaiser mĂĽsse neben Lat. auch die wichtigsten modernen
Sprachen Italienisch, Französisch, Kroatisch (!) und Deutsch beherrschen, durch
den Verweis auf den polyglotten Mithridates unterstrichen (Bl. 5v). DalMaino
selbst gebraucht ein flĂĽssiges Humanistenlatein mit komplexen, aber durchsichti-
gen Perioden, das in Innsbruck, wo man Derartiges damals noch nicht alle Tage zu
hören bekam, seinen Eindruck, wie wir gesehen haben, nicht verfehlt hat.
Die zweite Rede (moderne Ausgabe mit Einleitung und Ăśbersetzung : Haida-
cher 2010) stammt von dem aus Pesaro gebĂĽrtigen Juristen Pandolfo Collenuccio
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- TYROLIS LATINA
- Untertitel
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Band
- 1
- Autoren
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Herausgeber
- Karlheinz Töchterle
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 602
- Schlagwörter
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Ăśberblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593