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Geschichtsschreibung 113
Quellen
Sprache und Stil
Die Sicherung der Rechte seines Konventes bildete das zentrale Anliegen aller ‚li-
terarischen‘ Bemühungen des Marienberger Mönchs. Dies geschah in erster Li-
nie durch die Anfertigung von Kopien der entscheidenden Rechtsaufzeichnungen,
wobei immer wieder auch die Genauigkeit der Abschrift der Vorlagen und damit
ihre Zuverlässigkeit betont wurde. Was Goswin sonst an historischen Nachrichten
in seine Werke einfließen ließ, betrachtete er wohl nur als verbindende Zutaten
zu den entscheidenden Urkundentexten. Dementsprechend konzentriert sich das
Interesse für derartige Fakten und Entwicklungen ganz zentral auf Marienberg und
die unmittelbare Umgebung. Der Vinschgau ist für Goswin seine patria ; nur sehr
selten überschreitet er diesen Horizont. Politische Ereignisse in einem größeren Zu-
sammenhang erwecken nur am Rande seine Aufmerksamkeit. Große Aussagekraft
besitzen Goswins Ausführungen im Hinblick auf wirtschaftsgeschichtliche Frage-
stellungen (vgl. Albertoni 1986). Ganz nebenbei werden auf diese Weise aber auch
Einblicke in den Alltag und die Mentalität des Verfassers und der handelnden Per-
sonen vermittelt. Wertvoll sind auch die Angaben über Inschriften und Hinweise
auf Wappen und Ausstattungsgegenstände im kirchlichen und weltlichen Ambi-
ente, die in den Bereich der Kulturgeschichte führen.
Als Quellen für seine Ausführungen standen Goswin in erster Linie Urkunden
und ähnliche Schriftstücke im Archiv von Marienberg zur Verfügung, die er mit
besonderer Akribie ab- und ausgeschrieben hat (vgl. Uiblein 1982, 104). Von der
Benutzung weiterer schriftlicher Vorlagen finden sich nur minimale Spuren (Gre-
gor der Große, Moralia, Liber de causis). Wenn in seine Werke Zitate aus der Litur-
gie und aus der Heiligen Schrift eingeflossen sind, so beruht dies auf der geistlichen
Bildung und Praxis des Verfassers. In der gelegentlichen Übernahme von Passagen
aus der Urkundensprache spiegelt sich die ausgeprägte Hochachtung Goswins für
dieses Genus der Schriftlichkeit wider. Mehrfach beruft sich der Autor auch auf
Erzählungen alter glaubwürdiger Konventsmitglieder, und schließlich kann er auch
nicht selten aus eigenem Erleben berichten. Einigemale sind auch in anekdotischer
Form Geschichten festgehalten, deren sagenhafter Charakter eigens betont wird.
Angesichts der äußerst bescheidenen literarischen Ansprüche, die Goswin wohl
auch selbst an seine Werke gestellt hat, fällt eine Charakterisierung seiner Sprache
und seines Stils sehr schwer. Schon formal besteht der größte Teil der sogenann-
ten Chronik aus wörtlichen Übernahmen von Vorlagen. Das Lat. des Autors ist
in erster Linie der geistlich-monastischen Tradition verpflichtet. Besondere sti-
listische Ambitionen sind nicht zu erkennen. Immerhin bemühte sich Goswin
fallweise sehr bewusst um Varianten in der Wortwahl, und eine offenkundig etwas
verderbte Abschrift einer Urkunde erregte den Unwillen des Mönchs wegen der
darin enthaltenen Grammatikfehler, die er ausdrücklich dem wenig gebildeten
Schreiber anlastete (s. Riedmann 1996, XXXV; Roilo/Senoner 1996, 186–187) :
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- TYROLIS LATINA
- Untertitel
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Band
- 1
- Autoren
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Herausgeber
- Karlheinz Töchterle
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 602
- Schlagwörter
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Überblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593