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114 Von der Tiroler Landeseinheit bis zum Tod Kaiser Maximilians
I. (1519)
Rezeption
Andreas Brunner Scriptor au tentici ydiota fuit et modice litterature („Der Schreiber des Originals war
ein einfacher Mann und wenig gebildet“). Die Orthographie der eigenhändigen
Aufzeichnungen Goswins entspricht der allgemeinen Entwicklung des Mittella-
teinischen (ae wird zu oe und e, häufige Verwendung des y, Inkonsequenz bei
Verdoppelung von Konsonanten u.ä.). Formenlehre und Syntax weisen ebenfalls
zahlreiche Eigenheiten im Sinne einer sprachlichen Weiterentwicklung auf (vgl.
Roilo/Senoner 1996, 407). Die lat. Texte enthalten zudem Wörter, die bereits den
Übergang zu dem auch im oberen Vinschgau bis in die ersten Jahrhunderte der
Neuzeit gesprochenen Rätoromanischen andeuten. Sie stammen zum allergröß-
ten Teil aus der Praxis des Alltags, etwa als termini technici von Abgaben, Ma-
ßen und Gewichten (z.B. bezeichnet poaria den Lohn eines Hirten, s. Riedmann
1996, XXXV; Roilo/Senoner 1996, 186–187). Fallweise übersetzte Goswin auch
lat. Worte ins Deutsche.
Um 1600 verfertigte der Notar Johannes Jocher eine Abschrift von Goswins
Hauptwerk und setzte es im gleichen Sinne fort. In Marienberg stets hochgeschätzt,
wurde das Register auch bei den neueren Darstellungen der Tiroler und Churer Ge-
schichte seit dem 19. Jh. immer wieder ausgewertet. Überregionale Beachtung fand
v.a. die detaillierte Schilderung der Symptome und Auswirkungen der Pest durch
den Marienberger Mönch.
Wenden wir uns nun dem Werk des Andreas Brunner zu. Geboren als Sohn des
Konrad Cobrill, genannt Brunner, Bauer auf dem Brunnerhof zu Verdings, einer
Fraktion von Klausen im Eisacktal, wurde Brunner nach eigener Aussage bereits als
kleines Kind zu seiner Tante nach Klausen gegeben und erhielt seine erste Bildung
in seiner Heimatstadt.8 Er durchreiste dann 25 Jahre lang Mitteleuropa, Skandina-
vien und Italien bis hinunter nach Sizilien. In Rom ist er im Jahr 1410 als familiaris
des Kardinals Oddo Colonna, des späteren Papstes Martin V., bezeugt. Brunner
war ferner im Jahr 1415 als Notar in Bruneck im Pustertal tätig und erlangte dank
seiner guten Beziehungen zum Heiligen Stuhl zahlreiche Pfründen in den Diözesen
Brixen, Trient, Salzburg, Passau, Utrecht und Meißen. Nach längeren Anwartschaf-
ten kam er auch in den Genuss von Domherrenpfründen in Brixen und Trient.
Von 1426 bis 1431 bekleidete er in Brixen die Würde eines Dompropstes, von 1440
bis 1443 die eines Domdekans an dieser Kathedrale. Seine besondere Vorliebe galt
offenbar der Funktion des Verwalters des Zwelfbotenhospitals in Klausen. Damit
verbunden war die Pfarrpfründe von Klausen und Latzfons. Von 1420 bis 1439
stand Brunner an der Spitze der Einrichtung in seiner Heimatstadt. Er starb am 27.
Januar 1443 und wurde im Dom von Brixen begraben.
8 Zu seiner Biographie vgl. Redlich 1903, 5 ; Santifaller 1924, 134 ; Riedmann 1978 ; Santifaller
2000, 63 ; Curzel 2001, 466–467.
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- TYROLIS LATINA
- Untertitel
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Band
- 1
- Autoren
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Herausgeber
- Karlheinz Töchterle
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 602
- Schlagwörter
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Überblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593