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132 Von der Tiroler Landeseinheit bis zum Tod Kaiser MaximiliansÂ
I. (1519)
Charakteristik
Vielsprachigkeit blieb, was letztlich zum Aussterben der Grafen von Görz fĂŒhrte, geriet Paula in ein
Machtvakuuum, ohne finanzielle Sicherheiten seitens ihrer vÀterlichen Familie und
ohne die letzte Legitimation als GrÀfin von Görz durch eigenen Nachwuchs. Diese
vielschichtigen Dissonanzen wurden von der Ăberlieferung im Bild des âunglei-
chen Paaresâ6 zementiert, in der Differenz zwischen der feinsinnigen italienischen
GrÀfin und dem grobschlÀchtigen, rauen Grafen von Görz.7
Die Briefe geben uns Einblicke in das Alltagsleben an den FĂŒrstenhöfen, aber
auch in die groĂen politischen Themen der Zeit und nicht zuletzt in das Funktionie-
ren des Verwandtschaftsnetzes innerhalb des europÀischen Hochadels. Wenngleich
es um augenscheinlich âprivateâ Belange geht, waren diese Briefe keineswegs privat
nach unserem heutigen VerstÀndnis : Die Schreiben wurden von Kanzleischreibern
verfasst, vom FĂŒrsten z. T. diktiert und korrigiert, mit den RĂ€ten und Schreibern
besprochen, von Boten vorgelesen, an Familienmitglieder zur Ansicht weitergege-
ben â kurzum : Der Brief war in einen weitlĂ€ufigen Kommunikationskreis einge-
bunden und kein privater Austausch von Herzensbotschaften.
Das Spannungsfeld ĂffentlichâPrivat spiegelt sich nicht zuletzt auch im Sprach-
gebrauch wider. Die Briefe sind in drei Sprachen abgefasst : lat., deutsch und italie-
nisch. Damit dokumentieren sie zugleich den âmultikulturellenâ Alltag spĂ€tmittelal-
terlicher Kanzleien. War zunÀchst Lat. die Schriftsprache des Abendlandes gewesen,
so setzten sich seit dem 12. Jh. zusehends die Volkssprachen durch (LĂŒhr 1986,
758â766). Ihr Terrain waren dabei die Briefe, wĂ€hrend das Lat. nach wie vor die
Sprache des offiziellen, diplomatischen Austausches blieb. Wie das VerhÀltnis zwi-
schen der Verwendung des Lat. und der Volkssprachen genau aussah, ist eine Frage,
die die Forschung nach wie vor beschÀftigt. Das hier betrachtete Briefcorpus liefert
diesbezĂŒglich insofern einige interessante Einblicke, als sich folgende AuffĂ€lligkei-
ten hinsichtlich des Sprachgebrauchs beobachten lassen : Tendenziell scheint das
Lat. als Briefsprache âoffiziellenâ Belangen vorbehalten gewesen zu sein, wĂ€hrend die
Volkssprache gröĂere NĂ€he und IntimitĂ€t mit dem Korrespondenzpartner signali-
sierte. ZunÀchst lÀsst sich feststellen, dass die Görzer niemals italienisch schrieben,
sondern in der Hauptsache deutsch, wÀhrend sich die lat. Schreiben auf Mitteilun-
gen formelhafter Art beschrĂ€nkten, z.B. Beglaubigungsschreiben fĂŒr Boten, sowie
auf die Kommunikation mit den mÀnnlichen FamilienoberhÀuptern (Markgraf Fe-
derico, Markgraf Francesco, Kardinal Francesco). Die deutschen Briefe richteten
6 So das Thema der Tiroler Landesausstellung 2000, die diesem Paar gewidmet war. S. dazu den
Aus stellungskatalog : Circa 1500, 2000. Das Zitat âungleiches Paarâ bezog sich ursprĂŒnglich auf
Leonhards Eltern Heinrich IV. und Katharina von Gara und entstammte einer SchmÀhschrift von
Enea Silvio Piccolomini auf das ebenfalls sehr konfliktreiche Paar.
7 Vgl. Billo 1934 ; Weingartner 1952 ; Babinger 1956 ; MIĂG 56, 329â384 und Wiesflecker 1998.
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- TYROLIS LATINA
- Untertitel
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Band
- 1
- Autoren
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Ć ubariÄ
- Herausgeber
- Karlheinz Töchterle
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 602
- Schlagwörter
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Ăberblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Ć ubariÄ) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Ć ubariÄ) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Ć ubariÄ) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur GrĂŒndung der UniversitĂ€t (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Ć ubariÄ) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Ć ubariÄ) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593