Seite - 134 - in TYROLIS LATINA - Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 1
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134 Von der Tiroler Landeseinheit bis zum Tod Kaiser Maximilians
I. (1519)
Fallbeispiel
Kommunikations-
strategien als Gesandte und Boten einsetzten. Der berühmteste ist wohl Konrad von Herten-
stein.9 Die Sekretäre der Gonzaga beklagten sich ihrerseits über die nachlässige Art
der Tiroler und Görzer Kanzlisten anlässlich der Ausstellung der Hochzeitsverträge
und -urkunden in Bozen. Es standen also durchaus sehr verschieden ausgeprägte
Kanzleisysteme und Schriftkulturen einander gegenüber.
Dass die Funktion der Volkssprache als intimeres Korrespondenzmedium vom
offizielleren Lat. deutlich unterschieden wurde, zeigt sich im Falle des einzigen
überlieferten italienischen Briefes, den Barbara an Leonhard schrieb. Es war be-
kannt, dass Leonhard kein Italienisch verstand, entsprechend entschuldigte sich
Barbara explizit in ihrem Brief (25. Mai 1478 ; TLA Sigm. 4a.029.086) :
Havemo facta fare in vulgar italiano non havendo chi sapia scriver in todesco perche quella
potera farsela tradure in vulgare todesco da Hertristano o altro de li suoi.
Wir haben ihn [diesen Brief] in der italienischen Volkssprache verfassen lassen, da wir
niemanden haben, der ihn auf Deutsch schreiben könnte, auf dass Ihr ihn Euch von Her-
tenstein oder einem anderen Eurer Leute in die deutsche Volkssprache übersetzen lassen
könnt.
Barbara konnte den Brief offensichtlich nicht auf Deutsch schreiben lassen, da ihr
deutscher Schreiber Konrad von Hertenstein (Hertristano) gerade am Hof von Le-
onhard weilte. Dennoch zog sie es vor, den Brief in italienischer statt in lat. Sprache
zu verfassen, obwohl Leonhard kein Italienisch verstand. Als Übersetzer stand ihm
jedoch besagter Hertenstein zur Verfügung, auf den Barbara eindeutig verwies. Der
einzig plausible Grund für dieses Verhalten ist, dass sie mit einem lat. Brief ein
ungleich stärker offiziell ausgerichtetes Auftreten dem Grafen gegenüber signalisiert
hätte, was sie in dieser Situation offensichtlich nicht wollte. Ebenso auffällig sind
die Fälle deutsch-lat. Dubletten. In besonders wichtigen und brenzligen Situatio-
nen schickten die Gonzaga sowohl eine lat. als auch eine deutsche Version, wohl um
beide Seiten des Verwandtschaftsverhältnisses zu betonen : die offiziell-politische
ebenso wie die verwandtschaftlich-freundschaftliche.
Als Kommunikationsmittel über die Distanz unterlag der Brief starken diploma-
tischen Zwängen. Die räumliche Trennung der Korrespondenzpartner erschwerte
die Kommunikation, da eventuelle Unstimmigkeiten und Missverständnisse nicht
sofort von Angesicht zu Angesicht geklärt und bereinigt werden konnten. Nachdem
Familienangelegenheiten in Fürstenkreisen jedoch von höchster politischer Brisanz
waren, wurden ausgeklügelte Strategien in der Konzeption des Textes angewandt,
9 Vgl. Severidt 1998 ; generell zur Kanzlei und Verwaltung der Gonzaga Lazzarini 1996.
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- TYROLIS LATINA
- Untertitel
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Band
- 1
- Autoren
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Herausgeber
- Karlheinz Töchterle
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 602
- Schlagwörter
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Überblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593