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136 Von der Tiroler Landeseinheit bis zum Tod Kaiser Maximilians
I. (1519)
Tritonius an Celtis
erster Brief welche diese Art der Briefe prägt, ist dabei keineswegs nur Selbstzweck ; sie trägt zur
Verdichtung des Textes und somit zu einer Annäherung dieser für den Alltagsge-
brauch bestimmten Textsorte an die poetische Welt bei. Somit stellen diese Briefe
ein Sammelsurium an kompositorischen, rhetorischen und stilistischen Kunstgrif-
fen dar, welche sich, ohne dabei den oberflächlichen Lesefluss zu beeinträchtigen,
dem gelehrten Rezipienten bei genauerem Hinsehen offenbaren und somit nicht
zuletzt zu dessen Ergötzung beitragen. Aufgrund dieser recht anspruchsvollen Ge-
staltungskriterien überlappen sich oftmals folgerichtig immer wieder ‚privater‘ und
‚öffentlicher‘ Kontext dieser Kunstschriften, was eine Interpretation nicht immer
einfach macht (vgl. Wallnig 2004, 813). Als exemplarische Belege hierfür sollen
im Folgenden mehrere Briefe Tiroler Humanisten an Konrad Celtis und Johannes
Reuchlin dienen. Weiters hat der Brief in dieser Zeit natürlich – auch dies ganz
im Sinne des aufkommenden Humanismus – den Zweck der Bewahrung bzw. an-
schließenden Vermittlung von Wissen, weshalb er oftmals in die Nähe eines Berich-
tes rückt (Gruber u. a. 1983, 660, 662). Zuletzt soll in diesem Kapitel mit einem
Brief des Priors der Karthause Schnals aus dem Jahr 1464 noch die ‚politische‘
Korrespondenz fernab der Kanzleien großer Fürstenhöfe zum Zuge kommen. An
seinem Beispiel gewinnt man einen anderen Einblick in eines der zentralen Ereig-
nisse politisch-religiöser Natur des 15. Jhs. in Tirol, nämlich das Interdikt zwischen
1460 und 1464.
Nach seinem Studienaufenthalt in Ingolstadt, wo er Konrad Celtis kennen ge-
lernt hatte, blieb der Bozner Humanist und Komponist Peter Treibenraiff, bekann-
ter unter seinem Humanistennamen Petrus Tritonius Athesinus (vgl. hier S. 144),
mit diesem über den Briefweg beständig in Kontakt. Exemplarisch geben über die
Art und Weise des Briefverkehrs zwei Schreiben Auskunft, welche Tritonius in den
Jahren 1500 und 1502 an seinen Freund richtet.
In seinem ersten Brief (Rupprich 1934, 404–406, Nr. 242) – dessen genaue
Datierung umstritten ist – beklagt sich der Bozner bitterlich über die Zustände
in Brixen, wo er als magister ludi, also Grundschullehrer, tätig war. Die Bewohner
der Stadt bezeichnet er als ungebildete Barbaren, welche sich zwar für Weihrauch
und Wein, nicht jedoch für schöne Künste und Kultur begeistern könnten ; sein
Leben, v.a. aber seine berufliche Tätigkeit seien eine einzige qualvolle Demüti-
gung. Nach diesem Vorspann, der mit der Gelehrtenklage einen Topos der huma-
nistischen Literatur allgemein aufnimmt, richtet er an den einflussreichen Freund
die Bitte, ihm eine Stelle in Wien zu verschaffen. Außerdem entschuldigt sich
Tritonius dafür, eine Beschreibung des Etschtales, welche er für die Germania
illustrata hätte anfertigen sollen, noch nicht abgeliefert zu haben. Abschließend
bittet er Celtis noch darum, ihm ein Exemplar seiner Amores sowie die Astrono-
mica des Manilius zu senden.
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- TYROLIS LATINA
- Untertitel
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Band
- 1
- Autoren
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Herausgeber
- Karlheinz Töchterle
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 602
- Schlagwörter
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Überblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593