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Kirchliches Schrifttum 149
Summa de
ecclesiastica
potestate
Leonhard
Huntpichler
Tractatus
Kardinaltugenden sowie den Zehn Geboten. Auch dieser Kommentar ist in vielen
Hs. überliefert. Eine davon entstand um 1440 in der Kartause Schnals, eine weitere
kam durch Schenkung nach Stams (Walsh 2002, 80–90).
Beim Kirchenvolk genossen Konziliaristen wie Herz wenig Ansehen ; dieser Fak-
tor gilt als einer der Gründe für den Autoritätsschwund, den gerade die obersten
kirchlichen Instanzen im 14. und 15. Jh. erlebten, obwohl es sich um eine Zeit tie-
fer Volksfrömmigkeit handelte (Angenendt 2000, 231–232). Das Übergewicht, das
die Vertreter der päpstlichen Machtfülle hatten, schlägt sich, wie es scheint, auch
im Tiroler Handschriftenbestand nieder. Im Winter/Frühjahr 1432–1433 fertigte
Peter Geräuter, ein ehemaliger Haller Stadtschreiber, der einen guten Einblick in
kirchliche Fragen und unter den Theologen aktuelle Themen hatte, eine Abschrift
der Summa de ecclesiastica potestate („Summe über die kirchliche Gewalt“) des Au-
gustinereremiten Augustinus (Triumphus) von Ancona († 2. April 1328) an. Mit
der darin im Auftrag von Johannes XXII. entwickelten Theorie des päpstlichen
Zentralismus hatte der Autor eine der ausführlichsten mittelalterlichen Diskussio-
nen zur päpstlichen Gewalt im geistlichen und weltlichen Bereich vorgelegt. Das
Werk hatte zunächst wenig Beachtung gefunden, war jedoch im zeitlichen Umfeld
der Reformsynoden gerade in den deutschsprachigen Territorien beliebt und weit
verbreitet. Dass dies auch für Tirol gilt, unterstreicht der Umstand, dass es auch in
den Bibliotheken von Stams und Schnals (ULBT, Cod. 22 und 548) vorhanden
war.
Papalistische Positionen wie diejenige des Augustinus von Ancona erhielten
durch das Scheitern des Konzils von Basel kräftigen Auftrieb, wie sich etwa am
Beispiel des gebürtigen Tirolers Leonhard Huntpichler zeigen lässt. Vermutlich
bald nach 1400 in Brixen i.Th. geboren, studierte er 1421–1426 an der Wiener
Artistenfakultät. Nach einer kurzen Zeit in Ungarn wechselte er als Schulmeister
an die Domschule in Brixen, wo er auch heiratete. Nach dem Tod seiner Frau trat
er 1438/39 in Wien in den Dominikanerorden ein und begann ein Studium der
Theologie, das er 1443/44 in Köln fortsetzte. Seit 1445 wieder in Wien, wo er 1449
den Grad eines Magisters der Theologie erhielt, lehrte er bis zu seinem Tod im Jahr
1478 an der dortigen Universität und an der Hauslehranstalt seines Ordens (Frank
1976, 33–34). Seit 1449 war er auch Vikar über dessen reformierte Niederlassun-
gen in Österreich (Gritsch 1978, 277).
Huntpichler war kein origineller Denker, sondern von gängigen theologischen
Meinungen seiner Zeit abhängig, die er überdies, in erster Linie Lehrer von Anfän-
gern, verkürzte und vereinfachte. Zwar lassen sich kaum direkte Bezüge zu jüngeren
Theologen aufzeigen, da er namentlich nur traditionelle Autoritäten zitiert, doch
wird man zumindest die Kenntnis des Augustinus von Ancona voraussetzen dürfen,
dessen Werk in der Wiener Ordensbibliothek zur Verfügung stand. Huntpichlers
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- TYROLIS LATINA
- Untertitel
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Band
- 1
- Autoren
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Herausgeber
- Karlheinz Töchterle
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 602
- Schlagwörter
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Überblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593