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150 Von der Tiroler Landeseinheit bis zum Tod Kaiser MaximiliansÂ
I. (1519)
weitere Werke
papalistische
Position
Stil papalistischer Standpunkt ist umso bemerkenswerter, als er ihn in einem insge-
samt stark konziliaristischen Klima zu vertreten hatte und dennoch breite Reso-
nanz fand. Seinem wohl 1447 aus konkretem zeitgeschichtlichem Anlass verfassten
Tractatus de auctoritate ecclesiastica („Traktat über die kirchliche Autorität“ ; BAV,
Ottobon. lat. 872, Bl. 5r–131v) kommt als erstem nachweisbaren Zeugnis dieser
Richtung besondere Bedeutung zu. Es geht darin um die Rechtfertigung der am 11.
September 1447 erfolgten Obödienzerklärung des Reichsoberhauptes und österrei-
chischen Landesfürsten Friedrich IV., des späteren Kaisers Friedrich III., für Papst
Nikolaus V. (Frank 1976, 182–188).
Später verfasste Huntpichler Schriften zur Reform des religiösen und öffentli-
chen Lebens, die den im Tractatus eingeschlagenen Weg fortsetzten, sei es in Ge-
stalt einer noch schärferen Formulierung des antikonziliaren Standpunktes, sei
es im Ton katholischer Apologetik gegen die Hussiten unter Hervorhebung der
kirchlichen Jurisdiktionsvollmacht. In anderen Werken rechtfertigte er kirchliche
Gewohnheiten als etwas der Intention des Stifters der Kirche Entsprechendes, äu-
ßerte sich zu Unterrichtsmethoden, lobte die Urkirche, plädierte für einen frühen
Eintritt in die Orden und sprach sich gegen die in seiner Zeit häufige Pfründenku-
mulierung aus (Frank 1976, 188–214). Eine papalistische Einstellung kommt auch
in seinen Predigten zum Ausdruck, deren Breitenwirkung allerdings gering gewesen
sein dürfte, weil sie sich weitgehend auf den Raum der Universität beschränkten
(Frank 1976, 218–221).
Insgesamt ist Huntpichlers Position als Ablehnung der Meinung zu umschrei-
ben, es sei die Gesamtkirche, die dem Papst anlässlich der Wahl seine Gewaltenfülle
verleihe. FĂĽr Huntpichler wird ihm diese vielmehr direkt von Christus ĂĽbertragen
und ist notwendig, um die Glaubenseinheit zu gewährleisten. Die beste Kirchen-
verfassung ist in seinen Augen die monarchische : Der Papst steht ĂĽber dem Konzil
und hat die Befugnis, die Schrift doktrinal zu erklären ; das concilium („Konzil“)
darf nicht mehr sein als ein consilium („unverbindlicher Ratschlag“). Daher haben
auch die Kardinäle kein autoritatives Mitregiment ; als Papstwählern kommt ihnen
nur das Designations-, nicht das Delegationsrecht zu. Allerdings sieht Huntpichler,
ähnlich wie Augustinus von Ancona, in der Jurisdiktion des Papstes nicht die Quelle
für diejenige der Bischöfe ; auch die Apostel hätten ihre Gewalt nicht als Kollegium,
sondern als Einzelpersonen erhalten (Frank 1976, 246–261). Die Laien müssen ge-
mäß dem hierarchischen Prinzip als hörender Teil dem Klerus untergeordnet sein.
Schließlich gehört zur Kirche auch die weltliche Obrigkeit, der auf jeden Fall Ge-
horsam zu leisten ist. Dieser Gedanke fand in der zeittypischen Vorstellung vom
princeps in ecclesia („Fürst in der Kirche“) breite Resonanz (Frank 1976, 385–386).
Auf die sprachlich-stilistische Seite seiner Werke verwendet Huntpichler wenig
Sorgfalt : Sein Lat. entspricht weder dem Stil der Scholastik noch dem des allmäh-
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- TYROLIS LATINA
- Untertitel
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Band
- 1
- Autoren
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Herausgeber
- Karlheinz Töchterle
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 602
- Schlagwörter
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Ăśberblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593