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Kirchliches Schrifttum 155
Gebrauchstexte
aus Tirol
Synodalstatuten
übrigens kaum bekannter) Autoren ab (Wilten, XXXII b 4, 32 02 02). Ebenfalls
in Hall entstand eine Abschrift einer Predigtsammlung des Jordanus von Quedlin-
burg (†
1370), des Ordensprovinzials der Augustiner-Eremiten in Sachsen, mit 460
Ansprachen gemäßigt aszetisch-mystischen Inhaltes für das gesamte Kirchenjahr
(Walsh 1973, 40).
In anderen Teilbereichen war man in Tirol darüber hinaus auch selbst produktiv.
Insbesondere entstanden eine Reihe von Synodalstatuten sowie ein umfangreiches
liturgisches Schrifttum. Beide Arten von Texten weisen darauf hin, dass man sich
bemühte, die z.T. unhaltbaren kirchlichen Zustände in zentralen Punkten zu bes-
sern.
Die Statuten mehrerer in der Diözese Brixen abgehaltener Synoden (ca. 1296,
1318, 1419, 1438, 1449, 1453, 1455, 1457, 1511 ; Baur 1950) zeichnen hiervon
ein drastisches Bild. Die regelmäßige Wiederholung vieler Themen – Lebenswandel
und Qualifikation der Kleriker, Beten der kirchlichen Tagzeiten, Seelsorge, Simo-
nie, Wucher, Spendung und Empfang der Sakramente, liturgische Praxis, Konku-
binat, Besetzung der Pfründen, Verwaltung des Kirchengutes usw. – legt zudem
nahe, dass die Weisungen häufig nicht wunschgemäß befolgt wurden. Trotz dieser
Konstanten lassen sich jedoch im Laufe der Zeit gewisse Akzentverschiebungen
erkennen. Während die Synode von 1318 in erster Linie in liturgiegeschichtlicher
Hinsicht ergiebig ist (Baur 1951), standen 1419 Situation und Rolle der Geistli-
chen sowie die wichtigsten Obliegenheiten der Laien im Mittelpunkt (Bickell 1880,
2–7). Ähnliche Themen kamen 1438 zur Sprache, jedoch in ausführlicherer, teil-
weise auch deutlicherer Formulierung, die den pastoralen Aspekt und die Autorität
der Geistlichen gegenüber den Parochianen noch stärker hervorhob (Bickell 1880,
7–19). Den Text von 1449 kennzeichnen detaillierte Vorgaben zu spezifischen The-
men. Hervorgehoben seien etwa die Bestimmungen zur Feiertagsarbeit, die sich
bemühen, den Erfordernissen des Erwerbslebens so weit wie möglich Rechnung
zu tragen ; neu ist auch die an alle Pfarrer gerichtete Empfehlung, sich in ihrer
pastoralen Arbeit an das Directorium („Richtlinie“) von Johann Aurbach zu halten
(Bickell 1880, 19–31), eines oberpfälzischen Kanonisten aus der ersten Hälfte des
15. Jhs. (LThK 5, 881). Die drei Synoden der 1450er-Jahre tragen die Handschrift
des energischen Reformbischofs Nicolaus Cusanus. Zumal der Text von 1453 lässt
ein geradezu rasendes Arbeitstempo erahnen : Auf knappem Raum wird eine Fülle
an Themen in bisher ungekannter Detailliertheit und Rigorosität abgehandelt
(Hallauer 2002, 107–110). Der Text ist kaum gegliedert, die Anweisungen sind
knapp und bestimmt, formuliert teils im jussiven Konjunktiv, teils im Imperativ,
nicht selten auch im besonders apodiktisch anmutenden Futurum in der 2. Person.
Inhaltlich neu ist insbesondere die Tendenz zu einer zunehmenden Kontrolle der
Geistlichen und zu einer Art Hierarchisierung nach Maßgabe individueller Quali-
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- TYROLIS LATINA
- Untertitel
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Band
- 1
- Autoren
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Herausgeber
- Karlheinz Töchterle
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 602
- Schlagwörter
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Überblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593