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156 Von der Tiroler Landeseinheit bis zum Tod Kaiser Maximilians
I. (1519)
Sprache
liturgische
Schriften fikationen und Fähigkeiten (Bickell 1880, 31–38). Dem Anliegen der Vereinheit-
lichung galt mit Blick auf die Messbücher v.a. 1455 spezifische Aufmerksamkeit ;
zudem sollten damals im Bereich der kirchlichen Feste klare Verhältnisse geschaffen
werden, wobei die diesbezüglichen sozialpolitischen Konzessionen von 1449 weit-
gehend zurückgenommen wurden (Bickell 1880, 39–46). Im Zentrum der Bera-
tungen von 1457 stand die Organisation künftiger Synoden, wobei ein Bestreben
nach Institutionalisierung erkennbar ist. Die detaillierten Vorgaben, die Cusanus
nach anfänglich echten Beratungen immer mehr im Alleingang entwarf, gingen so
weit, dass betroffene Geistliche in der Folgezeit praktikablere Alternativvorschläge
unterbreiteten (Bickell 1880, 46–57).
In sprachlicher Hinsicht sei kurz auf den Synodaltext von 1318 eingegangen,
der als paradigmatisch für eine Vergröberung des Lat. gelten kann, wie sie in Ge-
brauchstexten dieser Art damals weit verbreitet war (die späteren Niederschriften
zeigen diesbezüglich weniger Auffälligkeiten). Während ein mitunter willkürlich an-
mutender Kasusgebrauch und Unstimmigkeiten in der Genus- und Numeruskon-
gruenz wohl nur einer gewissen Flüchtigkeit zuzuschreiben sind, erweisen sich an-
dere grammatikalische Optionen durch ihr wiederholtes Auftreten als Zeichen eines
unklassischen Normverständnisses bzw. Stilgefühls : Genannt seien etwa die häufige
Verneinung des Imperativs mit non, Auffälligkeiten bei der Konstruktion vernein-
ter Finalsätze, die unorthodoxe Bedeutung mancher Konjunktionen, die Verwen-
dung von Präpositionen in Fällen, in denen im klassischen Lat. ein reiner Ablativ
vorgesehen ist, v.a. beim Ablativus temporis, aber auch beim Instrumentalis, und
morphologische Abweichungen beim Indefinitpronomen. Teilweise eigenwillig ist
die Syntax hinsichtlich der mit bestimmten Verben verbundenen Konstruktionen ;
einzelne Wendungen scheinen direkt dem Deutschen nachempfunden. Die Stellung
der Satzglieder weicht vielfach vom uns geläufigen Muster der Positionierung des
Prädikats gegen Ende der Periode ab. Durch diese Praxis wird der Satzrhythmus oft
in einer Weise beeinträchtigt, die den Eindruck stilistischer Unbeholfenheit ent-
stehen lässt ; mitunter ist die Wortstellung auch der Verständlichkeit hinderlich, ja
wirkt sich geradezu sinnstörend aus. Gelegentlich nehmen Anakoluthe überhand.
Einen der Schwerpunkte auf den Diözesansynoden stellte, wie erwähnt, die For-
derung nach einer korrekten und einheitlichen Liturgie dar. Wie berechtigt diese
war, zeigt die frühe liturgische Überlieferung aus Tirol, zu deren knapper Charak-
terisierung schon die Herkunft der überlieferten Texte eine gewisse Aussagekraft
hat. So scheinen sich tirolische Geistliche im 14. Jh. beim Breviergebet z.T. an die
Gepflogenheiten des Patriarchats Aquileia angelehnt zu haben, wie eine in Brixen
überlieferte Hs. (SEM, C 14) ahnen lässt. Dass man sich über die Liturgie in der
kirchlichen Peripherie seine eigenen Gedanken machte, zeigen so entlegene Über-
lieferungsorte wie die Burgkapelle der Kehlburg bei Gais am Eingang des Tauferer
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- TYROLIS LATINA
- Untertitel
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Band
- 1
- Autoren
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Herausgeber
- Karlheinz Töchterle
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 602
- Schlagwörter
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Überblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593