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Kirchliches Schrifttum 159
Johannes Röttel
Sylvester de
Balneoregio zu
Simon von Trient
Widmungs-
schreiben
Gutachten :
allgemeine
Charakterisierung
cuique observandus („Höchst nützliche, für jedermann zu beachtende Art, bei den
Messfeiern zu beten“ ; Clm. 14902, Bl. 104–121) ein Gebetbuch für Priester wie
Laien vor. Es teilt die Gebete nach den Hauptabschnitten der Messe ein und weist
auf die für jedes gewährten besonderen Ablässe hin. Verschollen ist das 1434 voll-
endete Catholicon (Nägele 1938, 327–330). Die Vermutung, es handle sich um ein
Messbuch, wurde von Anton Nägele in Frage gestellt, der an eine Art Enzyklopädie
theologischer und anderer Wissenschaften dachte. Zusammenfassend ist festzuhal-
ten, dass sich Ulrich Putsch zu Fragen der Seelsorge in höherem Maße aus kirchen-
rechtlicher denn aus pastoraler Sicht äußerte (Nägele 1938 ; Obermair 1997).
Auch Putschs zweiter Nachfolger als Bischof von Brixen, Johannes Röttel (reg.
1444–1450), verdient im vorliegenden Zusammenhang noch Erwähnung : Er kom-
pilierte noch vor seiner Wahl zum Bischof eine theologische Sammelhandschrift
mit dem blumigen Titel Stella clericorum („Stern der Kleriker“ ; SEM, K 5), die in-
haltlich von Johannes Gerson und Matthäus von Krakau geprägt ist. Zudem zeugt
eine Reihe von Reden von Röttels seelsorgerischem Eifer (Gelmi 1984, 98–99).
Im Jahr 1475 entlud sich die Judenfeindschaft des späteren Mittelalters, die sich
in Tirol bereits an den Diözesanstatuten des Jahres 1318 ablesen lässt (Baur 1950,
Nr. 35, 42), in dem berüchtigten Prozess gegen die Trientner Juden, die der rituel-
len Ermordung des kleinen Simon Unverdorben angeklagt wurden (vgl. hier S.
67–
69, 209–212). In diesem Zusammenhang entstand die erste der beiden Schriften
aus aktuellem Anlass, mit denen dieser Überblick schließen soll : Fürstbischof Jo-
hannes Hinderbach wollte den ‚Märtyrerknaben‘ heiligsprechen lassen, was jedoch
in Rom auf Widerstand stieß. Um diesen zu überwinden – ein Unterfangen, das
letztlich erfolglos blieb –, gab er noch im selben Jahr bei Sylvester de Balneoregio,
einem nachmaligen General der Augustinereremiten, ein Gutachten über Simons
Kanonisierung in Auftrag, das erwartungsgemäß positiv ausfiel und 1476 in Trient
gedruckt wurde (Hain 15203). Der Verfasser wurde für seine Bemühungen reich
entlohnt (vgl. Eckert 1991, 92 ; Treue 1996, 138–139, 146–148).
Dem Gutachten geht ein Schreiben an Hinderbach voraus (abgedruckt bei Es-
posito/Quaglioni 1990, 447–448), in dem Balneoregio als einen besonders erbitter-
ten Gegner den Paduaner Rechtsgelehrten Antonio de Capodilista nennt, der sich
zusammen mit anderen Juristen gegen den Trientner Prozess ausgesprochen hatte.
Die Diktion strotzt von judenfeindlichen Topoi : Die Rede ist von der impia gens
hebrea („gottloses Judenvolk“), von insidiae iudeorum („Hinterhalte der Juden“)
und perfidi iudei („heimtückische Juden“), die in opprobrium Christiane religionis
(„zum Schimpf der christlichen Religion“) wirkten.
Im eigentlichen Gutachten ist Sylvester sichtlich bestrebt, den Fall in einen brei-
ten theologischen Kontext einzubetten, und holt in seiner Argumentation entspre-
chend weit aus ; durch regelmäßiges Zitieren von Autoritäten, allen voran der Bibel
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- TYROLIS LATINA
- Untertitel
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Band
- 1
- Autoren
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Herausgeber
- Karlheinz Töchterle
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 602
- Schlagwörter
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Überblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593