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184 Von der Tiroler Landeseinheit bis zum Tod Kaiser Maximilians
I. (1519)
christliche
Kabbala
drei Beispiele
In apostolorum
simbolum den Diensten der Habsburger, und zwar als Protophysicus des späteren deutschen
Königs und Kaisers Ferdinand I. 1529 wurde er als Berater gegen die Seuche des
Englischen Schweißes in Tirol herangezogen. 1530 wurde er in den Freiherrenstand
erhoben und mit Schloss Sprinzenstein in Oberösterreich belehnt. 1536 bestellte
ihn Ferdinand
I. zum Leibarzt der in Innsbruck heranwachsenden königlichen Kin-
der, wo Ricius seinen Lebensabend verbrachte und 1542 starb. Seine beiden Söhne
Hieronymus und Franz standen ebenfalls in den Diensten Ferdinands
I. und waren
nacheinander Dompropst von Trient (Bietenholz 1985–1987, Bd. 3, 157–158 ; zu
Hieronymus vgl. hier S. 193).
Ricius selbst entwickelte am Innsbrucker Hof offenbar keinen großen medizi-
nischen Ehrgeiz. Zwei hs. deutsche Rezepte, eines davon nur mutmaßlich zuge-
schrieben, sind die einzigen schriftlichen Hinterlassenschaften seines Brotberufs.
Umso emsiger war Ricius auf dem Gebiet der philosophisch-theologischen Mystik.
Er schuf eine außergewöhnliche Synthese von Kabbala, Christentum und einem
eigenwillig verstandenen Aristotelismus mit neuplatonischen Elementen. Ricius
wurde damit zu einem Hauptvertreter der sogenannten „christlichen Kabbala“.
Gestützt auf das im 13. Jh. in Spanien entstandene Buch Zohar, erlebte zunächst
die jüdische Mystik der Kabbala weite Verbreitung. Im 15. Jh. gaben jüdische
Konvertiten in Spanien und Italien schließlich die Impulse für eine „christliche
Kabbala“ (vgl. grundsätzlich Schmidt-Biggemann 1999). Der einschlägige Kanon
mystischer Texte wurde dabei christlich ausgelegt und zum Beweis für die Wahrheit
des Christentums erklärt. So entdeckten christliche Humanisten wie Pico della Mi-
randola die Kabbala. Ihm folgten z.B. Egidio da Viterbo, Johannes Reuchlin oder
Guillaume Postel. Paulus Ricius gehört zu diesem illustren Kreis.
Eine detaillierte Besprechung von Ricius’ umfangreichem Werk ist hier nicht
beabsichtigt (vgl. dazu Roling 2007), nicht zuletzt auch deshalb, weil der Entste-
hungsort seiner knapp 20 Schriften fast immer unklar ist. Die Druckorte tragen zur
Klärung dieser Frage wenig bei. Seit Ricius Italien verlassen hatte, erschienen die
meisten seiner Publikationen in Augsburg, doch Augsburg war damals eben eines
der wenigen hoch entwickelten deutschen Druckzentren, während der Buchdruck
z.B. in Tirol noch randständig war. Drei ausgewählte Werke, die von der Chrono-
logie her zumindest in Tirol entstanden sein könnten, sollen einen kleinen Einblick
in Ricius’ philosophische Welt vermitteln.
Ricius’ eigene Konversion ist der Hintergrund des Dialogs In apostolorum sim-
bolum iuxta peripateticorum dogma („Über das apostolische Glaubensbekenntnis
gemäß der Lehre der Peripatetiker“ ; Augsburg 1514, Pavia 21517).
Als Gesprächsteilnehmer treten zunächst die drei jüdischen Brüder Philaletes, Philadel-
phus und Philosomatus auf. Es ist Abend, und die Brüder sehen gerade jungen Mädchen
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- TYROLIS LATINA
- Untertitel
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Band
- 1
- Autoren
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Herausgeber
- Karlheinz Töchterle
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 602
- Schlagwörter
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Überblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593