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200 Von der Tiroler Landeseinheit bis zum Tod Kaiser Maximilians
I. (1519)
Statuten
Statuten in Tirol kumente von besonderem Interesse zusammenstellten. Die Notariatsimbreviaturen
des in Trient tätigen Bongiovanni di Bonandrea († 1320) und des Jakob von Laas
(Ende 14. Jh.) sind mittlerweile in modernen Ausgaben zugänglich (Rando/Motter
1997 ; Raffeiner 2007). Ebenfalls schon früh bezeugt sind katalogartige Traktate
zum Notariatswesen, die, meist unter dem Titel Ars notaria oder Ars notariatus
(„Handbuch des Notariatswesens“), förmliche und materielle Anweisungen zur
Tätigkeit der Notare gaben. Man orientierte sich dabei an Vorbildern aus dem
norditalienischen Raum wie z.B. der Summa artis notariae („Summe der Notariats-
kunst“) des Rolandino de’ Passaggeri (ca. 1215–1300) oder der Ars notariatus des
eben genannten Johannes Andreae, bearbeitete diese jedoch bei Bedarf durchaus
eigenständig. Dies gilt beispielsweise für eine Vinschgauer Adaption von Passag-
geris Werk in 19 Paragraphen, die besonderes Gewicht auf Testamentswesen und
Erbrecht legt (Ausgabe : Schadelbauer 1932).
Des Weiteren gehörten zu den frühesten juristischen Schriften in Tirol Statu-
ten, d.h. Stadt- und Landrechte, sowie regulae („Gemeinderegeln“). Solche zumeist
anonymen Texte, die zuerst in italienischen Städten auftauchten, enthielten eine
Mischung aus Gewohnheitsrecht und eigens geschaffenen Regelungen, wobei ihre
Entstehung und Weiterbildung für die Zeit der Frührezeption des römischen Rechts
typisch war. Die Statuten größerer Städte regelten Zivil- und Strafrecht, solche klei-
nerer Orte sowie regulae befassten sich mit Angelegenheiten der Gemeinde und der
Bauernschaft (Voltelini 1902, 85–86). Die Zahl der Vorschriften reicht von einem
Dutzend bis zu einigen hundert. Was ihre Sprache betrifft, konnten Statuten und
regulae sowohl auf Lat. als auch in den Volkssprachen verfasst werden, wobei auch
im zweiten Fall meist eine kurze lat. Einleitung vorangeht (Giacomoni 1991, Bd.
1, XVII). Die Sprache der Statuten ist formelhaft und von dem Wunsch geleitet,
die Sachverhalte, um die es geht, knapp und präzise zu umreißen. Wortwiederho-
lungen sind häufig, besonders im Falle juristischer Fachtermini, ebenso Asyndeta
und Polysyndeta. Des Weiteren finden sich viele Ablativi absoluti, Gerundiva und
Ellipsen. Die Sätze sind oft syntaktisch tief gestaffelt, was das Verständnis für den
heutigen (und gewiss schon für den zeitgenössischen) Leser erschwert.
Aus dem Tiroler Raum sind uns mindestens 40 Beispiele für diese Textsorte
überliefert, von denen die meisten aus Trient, Riva, den vier Vikariaten (d.h. Ala,
Avio, Brentonico, Mori) und Rovereto stammen ; in Nordtirol war stattdessen das
Tiroler Landrecht in Geltung. Da später die Rechtslage weitgehend konsolidiert
war und sehr viele Orte das Trientner Statut wegen seiner hohen Qualität über-
nommen hatten (Voltelini 1902, 83), besaßen zu Beginn des 18. Jhs. neben dem
Tiroler Landrecht und dem Trientner Statut nur noch Grenzgebiete (z.B. Riva)
eigene Statuten. Wegen der überregionalen Bedeutung und der lat. Urredaktion
des Trientner Statuts (Voltelini 1902, 101 ; Ranieri 1987, 277) seien die Beiträge,
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- TYROLIS LATINA
- Untertitel
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Band
- 1
- Autoren
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Herausgeber
- Karlheinz Töchterle
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 602
- Schlagwörter
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Überblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593