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204 Von der Tiroler Landeseinheit bis zum Tod Kaiser Maximilians
I. (1519)
„Es ist eyn alt
Goczhus“
Apographa
Stil : Beispiele datiert auf das Jahr 1456 und entstand anlässlich des Verkaufs des Amtes Taufers
durch Sigmund an Nicolaus um 15000 Gulden und 1200 Dukaten. Der Bischof
geht auf die Umstände seiner Berufung nach Brixen ein und betont, dass das Bis-
tum schon vor dem Kauf Ansprüche auf die Ämter Taufers und Uttenheim gehabt
habe. Sein Ziel ist es, klarzustellen, quod nos magnis pecuniis pocius recuperavimus
castrum quam emimus („dass wir die Festung eher um viel Geld zurückerlangt als
gekauft haben“ ; Hallauer 2002, 115).
Nachdem Nicolaus 1457 im Zuge der Streitigkeiten fast einem aufgebrachten
Mob zum Opfer gefallen wäre, verfasste er zu Beginn des Folgejahres zwei Flug-
schriften. Die erste (Ausgabe : Hallauer 2002, 75–83) beginnt zwar mit den Worten
„Es ist eyn alt Goczhus und biisthumb“, ist aber dennoch großteils auf Latein ab-
gefasst. Sie war vermutlich an die Priester des Bistums Brixen gerichtet. Das Do-
kument stellt eine Geschichte des Bistums seit der Gründung des Klosters Säben
dar und zählt Urkunde für Urkunde die Verleihung von Privilegien und Rechten
an das Bistum auf, darunter auch das wichtige Salz- und Silberregal. Das Resümee
der Schrift ist zugleich ihre zentrale Botschaft an die Priester : Die Grafen von Tirol
waren immer Vasallen der Bischöfe von Brixen ; für diese bestand dabei nie ein
Lehenszwang.
Schließlich haben sich unter dem Titel Apographa („Abschriften“) der Entwurf
einer Bittschrift an Kaiser Friedrich III., in der Cusanus um die Erlaubnis ersucht,
die kirchlichen Lehen neu vergeben zu dürfen, sowie eine (frei erfundene) positive
Antwort des Kaisers erhalten (Hallauer 2002, 96–102). In der Supplik verweist
Nicolaus darauf, dass aufgrund der Weigerung Sigmunds, den Lehnseid abzule-
gen, dessen Lehen, die einzeln aufgezählt werden, an den Bischof als rechtmäßigen
Lehnsherren zurückgefallen seien, und bittet den Kaiser, die Vogtei des Bistums
Brixen zu übernehmen. Im Gegenzug würde er dem Kaiser die Schürfrechte für Erz
und Salz (die sich im Besitz Sigmunds befanden) gegen einen symbolischen Zins
übertragen. Im Antwortschreiben lässt Cusanus den Kaiser sämtliche Privilegien
und die Annahme der Vogtei bestätigen. Überdies werden die Vasallen des Bischofs
zum Gehorsamseid ermahnt und aufgefordert, innerhalb eines Jahres um eine er-
neute Investitur anzusuchen. Da es Cusanus klar gewesen sein dürfte, dass die tat-
sächlichen Chancen auf Entziehung der Lehen Sigmunds gleich Null waren, war
der Entwurf wohl weder für den Kaiser noch für die Öffentlichkeit bestimmt, son-
dern nur als geistige Fingerübung gedacht (Grass 1970, 130–139 ; Hallauer 2002,
68–69). Als er aus Versehen dennoch publik wurde, sorgte er für große Aufregung
bei den Tiroler Landständen.
Um die unterschiedlichen Stile zu illustrieren, die Cusanus je nach Adressat be-
nutzt, sollen hier zwei Auszüge aus den beiden letztgenannten Schriften abgedruckt
werden. Das erste Zitat stammt aus der Goczhus-Flugschrift (Hallauer 2002, 79) :
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- TYROLIS LATINA
- Untertitel
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Band
- 1
- Autoren
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Herausgeber
- Karlheinz Töchterle
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 602
- Schlagwörter
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- Epochenbild (Josef Riedmann) 21
- Überblick (Gabriela Kompatscher) 31
- Epochenbild (Lav Šubarić) 55
- Dichtung (Martin Korenjak) 66
- Rhetorik und Beredsamkeit (Martin Korenjak) 95
- Geschichtsschreibung (Josef Riedmann/Florian Schaffenrath) 105
- Biographie (Wolfgang Kofler) 123
- Brief (Christina Antenhofer/Lukas Oberrauch) 130
- Musik (Lukas Oberrauch) 143
- Kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 147
- Philosophie (Stefan Tilg) 167
- Medizin und Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 189
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 198
- Das 16. Jh. bis zum Tod Erzherzog Ferdinands II. von Tirol (1595) Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 215
- Dichtung (Wolfgang Kofler/Martin Korenjak) 225
- Theater (Stefan Tilg) 266
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 282
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath) 307
- Brief (Martin Korenjak) 335
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 342
- Philosophie (Stefan Tilg) 349
- Naturwissenschaft (Lav Šubarić) 355
- Medizin (Lukas Oberrauch) 362
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 378
- Das 17. Jh. bis zum Aussterben der Tiroler Linie der Habsburger (1665) und zur Gründung der Universität (1669) Epochenbild (Stefan Tilg) 385
- Dichtung (Martin Korenjak) 397
- Theater (Stefan Tilg) 436
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 465
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić) 480
- Biographie (Florian Schaffenrath) 505
- Brief (Martin Korenjak) 517
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 525
- Philosophie (Stefan Tilg) 545
- Naturwissenschaft (Martin Korenjak) 555
- Medizin (Lav Šubarić) 564
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 584
- Farbtafeln 593